Die letzten beiden Tage am Amphibienschutzzaun in Günnigfeld waren vor allem nass aber interessant zugleich. Dank der idealen Wetterbedingungen für die amphibischen Klienten war deren Aufkommen nicht nur an den Standorten mit Amphibienschutzzäunen hoch. Auch im Eickeler Park werden die Amphibien zahlreich in Richtung des einzigen Feuchtbiotops gewandert sein und auf ihrem Weg hatten sie einige Gully-Hindernisse zu überwinden. Deshalb steht heute die Nachkontrolle der am 21.02.2020 gesicherten Gullys im Eickeler Volksgarten auf dem Programm. Zu diesem Anlass treffen wir uns vor dem Park Restaurant im Eickeler Park um 12.00 Uhr.
Schon wieder Gullys checken?!
Den Großteil der sicherheitsrelevanten Gullys hatten wir vor rund drei Wochen mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln provisorisch gesichert. Fliegengitter und grüne Gitterfolie sind damals behelfsmäßig zum Einsatz gekommen. Aufgrund der begrenzten Menge an hochwertigem Material war es allerdings nicht möglich, die gesamten Gullys optimal zu entschärfen. Nach den „heißen Tagen mit idealfeuchten Bedingungen“, in denen knapp 50-70% des gesamten Amphibienjahresaufkommens an vielen Zaunstandorten erfasst wurden, ist eine Nachkontrolle ungesicherter Bereiche im Herner Stadtgebiet, wie hier im Eickeler Park, unumgänglich. Deshalb gilt unsere heutige Nachkontrolle genau diesen Entwässerungsschächten und im Laufe des Tages sollte sich zeigen, dass diese Maßnahme zwingend erforderlich ist. Neben der Nachkontrolle war außerdem die systematische Erfassung der Gullysituation ein Nebenziel, das es Heute zu erreichen galt.
Einfahrt zu den Besucherparkplätzen
Kein Handlungsbedarf besteht bei den Gullys an der Einfahrtsstraße in den Eickeler Park. Die ersten Gullys rund um das Park Restaurant sind entweder optimal abgesichert oder mit Laub und Dreck dermaßen verstopft, dass sie keine Gefahrenquelle für die gewanderten Amphibien darstellen konnten. Deshalb belassen wir es in diesem Bereich bei einer visuellen Inspektion, indem wir mit der Taschenlampe hineinleuchten und gucken, ob sich etwas Amphibisches darin bewegt. Danach geht es weiter in Richtung Gewässerbiotop. Je näher wir zum Zielort der Wandernden kommen, desto höher ist logischerweise die Anzahl an Amphibien, die diese Stellen auf ihrem Weg zum Zielort Teich passieren mussten. Diese Logik impliziert auch, dass die Wahrscheinlichkeit steigt, in ungesicherten oder suboptimal gesicherten Gullys hilfebedürftige Amphibien anzutreffen.

Staubig, aber gerettet…
Im ersten Gully, den wir im direkten Bereich des Gewässerbiotops kontrollieren, zeigt sich die Notwendigkeit der heutigen Maßnahme. An dem kleinen Gully unter dem Rhododendronbusch hatte sich das schwarze Kunststoffgitter auf einer Seite des Gullys gelöst, was dazu führte, dass die Streben des Gullydeckels nicht abgedeckt waren. Nachdem der Gully geöffnet war, guckten uns gleich vier Edkröten an, die in den letzten Tagen in den Gullyschacht hingefallen sind und seitdem darin gefangen waren. Manche Gullys, erzählt mir DD, werden auch von Parkbesuchern unwissend wieder freigeräumt, da diese der Meinung sind, dass der Gully mutwillig verstopft wurde, um eine Überschwemmung zu provozieren. Ein Schild, das auf diese Maßnahme zum Schutz der Amphibien hinweist, wäre möglicherweise ein probates Mittel, um diese Missverständnisse zu vermeiden.

Jackpot – Full house
Direkt im nächsten Gully unmittelbar am Parkteich befindet sich mit zehn Erdkröten und einem Bergmolch die höchste Anzahl von Amphibien an diesem Nachkontrolltag. Die Erdkröten sitzen zusammengekauert an der Schachtwand. Auch an dieser Stelle hatte sich das umfunktionierte Fliegengitter aus nicht ersichtlichen Gründen gelöst. Es zeigt sich aber wiederholt, dass die Hilfskonstruktion aus Fliegengittern nicht die Ideallösung sein kann. Hier muss in Zukunft unbedingt mit dem Ziel nachgebessert werden, eine langfristige und nachhaltige Lösung zu finden.

Gute Tat zum Quadrat
Meine gute Tat des Tages, einem Anderen die Chance gegeben zu haben, etwas Gutes zu tun. Nachdem sich zwei Parkbesucher interessiert die Szenerie angeguckt hatten, wie wir an den Gullys auf dem Wegesystem im Eickeler Park herumhantierten, hatte ich die Beiden spontan in ein Smalltalk verwickelt, denn Aufklärung und Sensibilisierung gehören ja unter anderem auch zu den offiziellen Aufgaben eines Landschaftswächters.

„Wollen Sie etwas für ihr Kama tun und einem Bergmolch die Freiheit schenken? Das haben wir da eben aus den Gullys geholt“. „Ja klar!“, antwortete sie ein wenig überrumpelt. „Wenn möglich nur nicht aus zu großer Höhe fallen lassen. Am besten wäre es, wenn Sie es ans Ufer absetzen“, erwiedere ich, was Sie darauf dann auch tut, nachdem ich ihr den kleinen Molch in die geöffnete Handfläche gelegt hatte.
Zwischendurch Missionierung
Kurz darauf kommt sie dann nochmal zu uns zurück, um sich zu erkundigen, ob wir das regelmäßig machen und an wen sie sich wenden könnte, um selber auch aktiv zu werden. Nachdem die Infos ausgetauscht sind und eindeutig zu spüren war, dass am Thema ein Interesse bestanden hat, habe ich den Beiden noch die Unmengen an Laichballen im Uferbereich gezeigt, die sie, wie sie sagten, bis dahin noch überhaupt nicht bemerkt hatten.
Fazit: Bürger für den Artenschutz begeistert, mit Parkbesuchern ins Gespräch gekommen, für das Thema sensibilisiert und bei ihnen für einen Aha-Effekt gesorgt – im Sinne Pestalozzis – ganzheitliches Lernen mit Herz, Hand und Verstand. Lernen mit allen Sinnen lässt sich doch eigentlich leicht umsetzen.
Seitenstraße am Altenheim – Zur-Nieden-Straße
Hier gab es ja vor drei Wochen die Unstimmigkeiten mit einer Anwohnerin, die uns untersagt hatte, die Gullys zu vergittern, da dies im letzten Jahr im Straßenbereich nach ihrer Aussage zu Überschwemmungen geführt haben soll. Doch die Gullys an dieser Stelle waren sowieso mit Laub und Dreck übervoll, sodass ohne eingreifen zu müssen, die Möglichkeit gegeben war, dass hineingefallene Amphibien eigenständig herausklettern hätten können.

Bei den Gullys im vorderen Bereich der Seitenstraßen war uns vor drei Wochen unser Material ausgegangen, sodass sie ungesichert bleiben mussten. Was im Bereich dieser Seitenstraße besonders kritisch ist, denn für wandernde Amphibien besteht eine doppelte Gefährdung, die sich aus den Gullys mit weiten Streben und der hohen Bordsteinkante ergibt. Zudem liegt zwischen dem Ende der Straße und dem Teich im Park lediglich ein Gebüsch und die Entfernung beträgt keine 10 Meter Luftlinie.
Fehlpaarung Grasfrosch mit Kröte
Waren die ersten Gullys noch amphibienlos, verharrte in einem der Nächsten gleich eine ganze Gruppe von Amphibien. Am Boden des Schlitzeimers saß ein Lurch neben dem anderen. Neben den drei Krötendoppeldeckern war auch eine Fehlpaarung dabei. Als Fehlpaarungen bezeichnet man die Paarungsumklammerung zwischen unterschiedlichen Arten. In unserem Fall handelte es sich um ein Erdkrötenmännchen, das ein Grasfroschweibchen umklammerte. Wobei das Erdkrötenmännchen das Froschweibchen mit seinen Hornschwielen der Fingerinnenseiten dermaßen heftig umklammerte, dass sich nach dem Lösen des ungleichen Paars an den Ansätzen der Vorderbeine des Froschweibchens blutunterlaufene Stellen gebildet hatten.

Die saisonalen Paarungsschwielen die nicht nur bei männlichen Kröten sondern auch bei anderen Froschlurchen zu beobachtet sind, ermöglichen den festen Griff bei der Paarungsumklammerung (Amplexus). Was beim Konkurrenzkampf zur Verteidigung der Pole Position auf dem Weibchen erhebliche Vorteile mit sich bringt, unsere Intervention aber verkompliziert.

So wie beim Todesrad, dass wir am Tag 6 (28.02.2020) im Teich im Landschaftspark Pluto V in Bickern an der Berliner Straße entdeckt hatten, sollte auch im Fall der Fehlbildung „dazwischen gegangen“ werden, da die Paarung von Frosch mit Kröte keinen evolutionären Mehrwert hat und die Chance auf befruchteten Laich ansonsten verloren ist. Doch das Männchen wehrt sich mit all seinen Kräften und es dauert eine Weile bis die Umklammerung mit viel Fingerspitzengefühl gelöst werden kann.

Amphibienschutz ist Schwerstarbeit
* Ergänzung für Frau K.: An dieser Stelle sei ausdrücklich auf die Gefahr hingewiesen, die mit einer solchen Aktion verbunden ist. In einen Entwässerungsschacht kopfüber hineinzuklettern, um etwas herauszuholen, sei es ein Schlüssel, ein Handy oder ein Lebewesen ist lebensgefährlich und sollte nur im äußersten Notfall getan werden. Und auch nur dann, wenn mindestens 2 Personen vor Ort sind, sodass eine dieser Personen in einem Notfall Hilfe holen kann. Sollte es im Umfeld des Schachtes massiv nach faulen Eiern riechen, besteht die Gefahr einer Schwefelwasserstoffvergiftung und die Aktion muss unbedingt abgebrochen werden. Besser wäre es natürlich die Profis von der Feuerwehr zu rufen. Auch wenn die oftmals Wichtigeres zu tun hat und euch die Aktion im Anschluss wohlmöglich in Rechnung stellen wird.
Im Gully Nummer 3 auf der Zur-Nieden-Straße war die Situation ein wenig verzwickter. Der Schlitzeimer in dem Gullyschacht war dermaßen mit Laub und Dreck gefüllt, dass das Krötenweibchen, welches hineingefallen war, über die oberen Schlitze, die konstruktionsbedingt größer sind als die seitlichen Schlitze, in den offenen Kanalisationsschacht gelangt war.

Bei einer Schachttiefe von über einem Meter und einem Schachtdurchmesser von 40 Zentimetern war zur Rettung voller Körpereinsatz gefragt. Jedes Leben zählt. Ohne groß nachzudenken zieht sich DD die Jacke aus und klettert selbstlos kopfüber in den Entwässerungsschacht und schafft es schließlich die Krötendame zu bergen. Vor lauter Schrecken dankt die Gerettete es uns mit dem Absondern einer Ladung Urin. Möglicherweise ein Abwehrmechanismus um potentielle Fressfeinde mit einem giftigen Sekret in die Flucht zu schlagen. So sind im Giftcocktail der Erdkröten unter anderem Bufotoxine enthalten, von denen einige Vertreter dem Gift des Fingerhuts (Digitalis) sehr ähnlich sind.

Inwieweit die ölig-schimmernden Bereiche auf der Flüssigkeitsoberfläche unlösliche Bestandteile des Krötensekrets sind oder irgendwelche Verunreinigungen vom Straßenverkehr kann ich nicht beurteilen. Die Flüssigkeitsmenge auf dem Bild entspricht in etwa der Größe eines 2€-Stücks.
Gullys an der Reichsstraße
Nachdem alle Gullys an der Zur-Nieden-Straße gecheckt waren, ging es ein paar Hundert Meter rüber zur Reichsstraße. Auch hier befinden sich einige Gullys, die in Kombination mit einem viel zu hohen Bordstein für Amphibien besonders gefährlich sind. Wobei die Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde ganz im Sinne des Amphibienschutzes ist. Trotz der Gegebenheiten mit erhöhtem Gefährdungspotential bleiben die Kontrollen der Gullys entlang der Reichsstraße ergebnislos. Es befinden sich glücklicherweise weder in den Fangkörben noch in den Schächten Amphibien. Auch totgefahren Amphibien sind auf dem ersten Blick nicht zu sehen.

Kellerschächt der Grundschule am Eickeler Park
Die drei Schächte vor der Grundschule am Eickeler Park hatten wir bei unserem Gully-Check vor drei Wochen nicht weiter gesichert. An der Situation in den Schächten hat sich seit dem nichts geändert, sie sind weiterhin voll mit Herbstlaub. Entweder hat der Hausmeister hier an der Schule verdammt viel zu tun, oder er kommt seinen Pflichten nur schleppend nach.
Amphibien mögens feucht
DD stochert mit seiner mitgebrachten Stange im Laub herum und sucht dabei nach Amphibien. Besondere Aufmerksamkeit ist in den feuchten Bereichen gefordert, da Lurche sind hygrophile Lebewesen (Feuchtlufttiere) sind. Als Feuchtlufttiere bezeichnet man Tiere, die nur bei hoher Luftfeuchtigkeit existieren können. Hierzu gehören neben Amphibien auch Schnecken und viele Bodenorganismen. Da sie keinen Schutz vor Verdunstung haben, sind sie auf eine hohe Feuchtigkeit der Umgebungsluft angewiesen. Es dauert nicht lange und DD wird fündig. Genauso wie er erzählt hatte, sitzt ein Doppeldecker eingebuddelt im feuchten Bereich des Laubs. In den beiden anderen Schächten, die nicht unmittelbar am Abflussrohr liegen, befindet sich ausschließlich trockenes Laub, weshalb er die Suche nach einmaligem Durchstöbern zeitnah abbricht, da nicht davon auszugehen ist, dass sich potentiell hingefallene Amphibien eingebuddelt haben.

Nachkontrolle letzter Akt
Und dann ist es fast geschafft. Nach rund 2,5 Stunden hatte ich auch so langsam irgendwie kein Bock mehr, irgendwelche Entwässerungsschächte zu kontrollieren. Deshalb war ich mehr als froh, als wir zum letzten Standort des Tages gekommen waren. Zu guter Letzt wurden einige Gullys inspiziert, die wir beim ersten Mal vor drei Wochen noch gar nicht kontrolliert hatten. Sie befinden sich direkt vor dem Evangelischen Friedhof Wanne-Süd und sind vom Biotop relativ weit entfernt. DD meint, dass die Molche, die er hier in den Jahren zuvor gefunden haben will, wohlmöglich aus einem Vorgarten mit Teich kommen könnten. Denkbar wäre es auch, dass einige der Amphibien ihr Winterquartier auch im angrenzenden Friedhof haben. Glücklicherweise finden wir in den Gullys in diesem Bereich nichts Amphibisches, womit die heutige Gully-Odyssee endet.
Fazit.
In den letzten drei Wochen nach unseren provisorischen Sicherungsmaßnahmen und vor allem trotz dieser Maßnahmen haben sich heute sage und schreibe 31 Erdkröten, 1 Grasfrosch und 1 Bergmolch in den Entwässerungsschächten rund um das Feuchtbiotop im Eickeler Park befunden. Mit den 4 Erdkröten und dem einen Teichmolch, die bei der Erstkontrolle vor drei Wochen gerettet wurden, haben wir in diesem Amphibienjahr 35 Erdkröten, 1 Grasfrosch, 1 Teichmolch und 1 Bergmolch im Eickeler Volksgarten vor einem qualvollen Gully-Tod bewahren können.
Da die Saison noch lange nicht vorbei ist, müssen wir in diesem Frühjahr mindestens noch ein weiteres Mal zum Gully-Check in den Eickeler Park ausrücken. Einerseits war der heutige Tag ein voller Erfolg, andrerseits hat er aber auch die prekäre Situation für Amphibien an diesem Standort offenbart. Im der städtischen Parkanlage bedarf es unbedingt alsbald einiger Anpassungen der Parkinfrastruktur, die nur in Absprache mit Stadt und NABU realisiert werden können.
Wie und ob in nächster Zeit gehandelt wird, nachdem die Probleme mitgeteilt wurden, wie die Reaktion von Stadt und NABU auf die Problemlage ausfällt, wird sich zeigen. Sobald mir neue Informationen vorliegen, werde ich davon berichten. Allerdings kann das noch ein Weilchen dauern, da wir unsere Forderungen erst nach der diesjährigen Schutzaktion in konzentrierter Form vortragen wollen.
Pingback: Amphibienschutz in Herne 2020 (Tag 10) – tödliche Gullys | sohlenrocker
Pingback: Amphibienschutz in Herne 2021/0: Die erste Email zur Vorbereitung des Schutzzauns ist verschickt! | Der Landschaftsmeldeläufer