Tag 11: Sonntag 15.03.2020 – Tragödie am Biotop…
Nachdem die 25 Fangeimer des Amphibienschutzzauns an der Berliner Straße kontrolliert sind, bringen wir die Eimerfunde rüber zum Teich im Landschaftsschutzgebiet PLUTO V. Als der Teich erreicht ist, machen wir im Uferbereich eine unschöne Entdeckung. Zwei Meter neben dem Teich liegen insgesamt sieben Erdkröten, von denen drei augenscheinlich schwerer verletzt und möglicherweise auch schon tot sind, was damit zu begründen ist, dass sie massive Verletzungen aufweisen. Die anderen vier Erdkröten setzen wir vorsichtig am nahen Teichufer ins Wasser, worauf alle bis auf eine Erdkröte wieder munter werden. Die eine Erdkröte bewegt sich zwar auch, ist aber augenscheinlich nicht mehr in der Lage abzutauchen.
Wie die Tiere in die Nähe des Teichs gekommen sind und auch wer sie so zugerichtet hat, lässt sich abschließend nicht mehr klären und bleibt reine Spekulation.
Spekulative Ursachenfindung
a) Fressfeind: Bussard, Graureiher, Fuchs oder Mader?!
Entweder ein Beutegreifer, der die am Land relativ behäbigen Kröten als leichte Beute angesehen hat und im Rauschzustand erst einmal alles eingesammelt hat, was sich in der Nähe befunden hat. Und bevor es mit dem Fressen anfangen konnte, von einem Hundebesitzer beim Gassi gehen gestört wurde. Als mögliche Beutetiere kommen im LSG Pluto maximal drei bis vier Verdächtige in Betracht. Aus meiner Sicht vorstellbar wären ein Graureiher, ein Bussard, ein Fuchs oder vielleicht noch ein Mader. Wobei von den Vieren nur die Säugetiere dazu neigen sollten, auf Vorrat zu jagen. Gegen die Beutetier-These spricht wiederum die Tatsache, dass vor allem die Krötenhaut einige Bufotoxine enthält, was einen möglichen Fressfeind aufgrund der ungenießbaren Beute unmittelbar vom Weitersammeln hätte abgehalten sollen. Außerdem sind die Verletzungen zu unspezifisch und nicht als Bissspuren einzustufen.
b) Amphibienhassender Tierquäler
Relativ abwegig ist zugegebenermaßen die Vermutung, die Ursache im Zusammenhang mit den jugendlichen Vandalen zu suchen, die im Landschaftsschutzgebiet definitiv ihr Unwesen treiben. Aber Feuermachen, Grillen oder Graffitis sprayen sind im Vergleich zur Tierquälerei dann doch ein ganz anderes Kaliber und deshalb eher auszuschließen.
c) Straßenverkehr-Helfer-These
Die plausibelste Erklärung lieferte Didi selbst. Er geht davon aus, dass die Tiere heute Morgen von einem engagierten Unbekannten von der Straße aufgesammelt und an den Teich gebracht wurden. Die Amphibien weisen seiner Meinung nach zudem die typischen Verletzungen auf, die durch den Straßenverkehr verursacht würden. Während ein Lurch nach Direktkontakt mit dem Autoreifen zumeist zerquetscht am Asphalt klebt, sprechen in unserem Fall viele Indizien dafür, dass es sich hierbei um Opfer der hohen Fahrtgeschwindigkeit der Fahrzeuge handelt.

Im Fall der Erdkröte, die nicht mehr abtauchen konnte, geht er davon aus, dass möglicherweise eine Verletzung der Schwimmblase vorliegt. Inwieweit Frösche oder Kröten als Landlebewesen überhaupt über eine Schwimmblase verfügen, halte ich eher für fragwürdig. Doch welche Hohlorgane es durch die auftretenden Durchveränderungen eines vorbeifahrenden Fahrzeugs tatsächlich zerreißt, ob Lunge, Magen, oder doch die Wirbelsäule kann ich auch nicht sagen, weil dafür meine anatomischen Kenntnisse nicht ausreichend sind.
Strömungsmechanik
Aber wie es zu den tödlichen Turbulenzen kommt, kann ich mir wohl noch zusammenreimen. In Abhängigkeit von der Bauweise der Fahrzeugfront und der Höhe der Fahrtgeschwindigkeit werden vom Fahrzeug Luftmassen verdrängt, die vom Fahrzeug in alle Richtungen abströmen. Konstruktionsbedingt kommt es beim Übergang von Stoßstange und Unterboden zu einem Strömungsabbruch, der erhebliche Verwirbelungen verursacht und das zunächst kontaktlos überfahrene Tier auf dem Asphalt herumwirbelt und teilweise auch an Unterbodenbauteile prallen lässt. Tiere, die dieses Schicksal erleiden, weisen zumeist innerliche Verletzungen auf, sind aber morphologisch betrachtet relativ intakt und auch noch als Kröte oder Frosch identifizierbar. Und dieser Fakt trifft auf die Kröten im Uferbereich genau zu.

Doppelt Pech gehabt
Teilweise wird ein und derselbe Lurch auch erst von einem Fahrzeug kontaktlos Überfahren und später von einem anderen Fahrzeug plattgefahren. Abgetrennte Gliedmaßen sind ebenfalls keine Seltenheit, aber in der Regel kleben die todgefahrenen Kadaver von Molch, Kröte oder Frosch platt auf dem Asphalt und sind am Morgen bei den Kontrollen nur noch schwer auseinanderzuhalten.

Appell an alle: Tempo runter!!!
Die größte Gefahr auf der Straße für Amphibien geht also nicht vom Autoreifen sondern vom erzeugten „Windstoß“ aus, wovon ein und dasselbe Tier auch mehrmals getroffen werden kann. Die Stärke dieses „Windstoßes“ und der damit einhergehende Druck hängen direkt mit der Geschwindigkeit und der Luftverdrängung des Fahrzeuges zusammen. So erzeugt ein LKW wesentlich größere Kräfte als die Kräfte, die ein Personen-KFZ erzeugen könnte. Allerdings ist die Art des Fahrzeugs egal, wenn die Fahrtgeschwindigkeit auf unter 30 Kilometer pro Stunden reduziert werden würde, dann ginge die alleinige Gefahr für die Lurche von den Reifen aus. Doch bedauerlicherweise beachten nur die allerwenigsten die Warnschilder, die die Straße als Krötenwanderweg ausweisen, und reduzieren ihre Geschwindigkeit nicht dementsprechend.
Unmittelbar verworfene Idee
Vielleicht sollte man das rote Warndreieck mit der Kröte drauf zusätzlich mit der Info ergänzen, dass die Intensität des Strömungsdruckes mit steigender Geschwindigkeit zum Quadrat zunimmt, wobei die meisten Ignoranten mit Physik mit Sicherheit noch weniger anfangen können, als mit dem Bild einer Kröte im roten Dreieck und dem damit zusammenhängenden Artenschutz.
Aas macht auch satt
Der einzig positive Aspekt am tragischen Schicksal des verkehrsbedingten Amphibientods ist die Tatsache, dass die Amphibienüberreste Rabenkrähen und Elstern als Zwischensnack dienen. Auf der Straße hockende Krähen dienen zumeist als ein guter Bioindikator dafür, dass es an dieser Stelle etwas Amphibisches zu holen gibt, was den Straßenverkehr nicht überlebt hat.