Bürokratischer Irrsinn an der Krötenfront (1/2)
Tag 14: Mittwoch 01.04.2020 – behördliche Rüge…
Routinemäßig checke ich auch an diesem Tag meinen Email-Account und werde fündig. Zwischen zahlreichen Spam-Mails entdecke ich eine Benachrichtigung mit dem Betreff DRINGENDE Bitte um Rückruf. Hm, vielleicht ein April-Scherz? Was mir bei Betrachtung des städtischen Absenders aber unmittelbar unwahrscheinlich erscheint. Der Inhalt der Mail ist sparsam an Informationen und wenig aufschlussreich, wiederholt lediglich die Aufforderung der Betreffzeile. Ich soll doch DRINGEND bezüglich der Kröten anrufen. Nachdem ein April-Scherz aufgrund der seriösen Absenderadresse nicht in Frage kommt, schießen mir allerhand weiterer Vermutungen durch den Kopf. Möglicherweise ist auch irgendwas mit unserem Amphibienschutzzaun?
Um Rückruf wird DRINGEND gebeten
Und dann ist meine detektivische Neugierde geweckt. Wer mit einer städtischen Email-Adresse will was wissen und vor allem warum will Jemand mit einer städtischen Email-Adresse was von mir wissen. Also zunächst erst einmal den Namen googeln, vielleicht bringt mich das weiter, da sich aus den Uninformationen kein Reim bilden läßt. Dennoch verspüre ich irgendwie auch kein zu großes Bedürfnis, der Dringlichkeit unmittelbar nachkommen zu wollen und schon gar nicht die Telefonnummer zu wählen. Deshalb versuche ich stattdessen die mir nicht bekannte Person dahingehend zu bewegen, mir das Problem per Email zu schildern. Doch so leicht lässt man sich nicht die eigenen Pläne durchkreuzen und mir das Anliegen via Email erläutern, das will man, „um Missverständnisse zu vermeiden“, wie man sagt, unbedingt vermeiden. Man verharrt bei der Bitte um ein persönliches Telefonat mit mir.
Versuch macht klug, führt aber nicht immer ans Ziel
Als ich dann selbst eingesehen hatte, dass auch eine Weiterleitungsversuch an DD mit seiner 30-jährigen Praxiserfahrung im Themengebiet des praktischen Amphibienschutzes nicht von Erfolg gekrönt sein will, überwinde ich mich und komme der Anrufbitte doch noch nach. Es bleibt allerdings zunächst beim Versuch, da nach dem ersten Freizeichen die Computerstimme der Mailbox anspringt. Na toll!? Erst ein auf dringlich machen und dann nicht erreichbar sein, wie DRINGEND kann es dann wohl gewesen sein. Als ich das Handy im weiteren Tagesverlauf mal wieder in der Hand hatte, sehe ich einen verpassten Anruf im Display. Eins zu eins denke ich mir, woraufhin ich die mir bis dato unbekannte Person erneut versuche anzurufen und dieses Mal sollte ich auch Erfolg haben.
„Besser spät als nie“ – das Telefongespräch
Die Person stellt sich mir kurz vor, die Akustik des Gesprächs ist alles andere als optimal. Es geht um „Umbauten an Gullys im Eickeler Park“, die dort montiert worden seien. Dazu hätte es wohl Beschwerden von Seiten der Stadtentwässerung gegeben und auch aus dem Bereich Stadtgrün hätte sich bezüglich dieser Vorkommnisse wohl Jemand beschwert und seinen Unmut über die Maßnahme kundgetan. Da eine Beteiligung an diesen „Maßnahmen“ aufgrund des Verweisens auf die Blog-Beiträge von Tag 5 und Tag 10 und meines dort zu findenden Impressums nicht abzustreiten war, versuche ich die Situation zu erklären, und rechtfertige unser Handeln damit, dass wir der festen Überzeugung waren und immer noch sind, im Namen des Naturschutzes das Richtige getan zu haben.

Moralische Rechtfertigung
Außerdem bin ich bis zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass die Gully-Aktion im Eickeler Park seit jeher ein fester Bestandteil der Maßnahmen im Rahmen des von der Stadt organisierten und von uns Ehrenamtlichen Landschaftswächtern durchgeführten Amphibienschutzes im Stadtgebiet ist. Denn schließlich hatte Doppel-D genau diese Arbeiten an genau dieser Örtlichkeit schon seit mehr als 15 Jahren durchgeführt. Und in der ganzen Zeit, erzählte er mir, ist bisher noch nie Jemanden vom Bereich Stadtgrün oder der Stadtentwässerung auf die Idee gekommen, irgendetwas zu beanstanden, geschweige denn Beschwerde gegen das sinnvolle Tun einzulegen. Im Gegenteil, die waren vermutlich noch froh darüber, dass die Fangkörbe unentgeltlich von Laub und Schmutz befreit wurden, ohne dass dafür ein Finger krumm gemacht werden musste.
Und auch die Parkbesucher, denen ich an den zwei Tagen im Eickeler Park im Rahmen der Maßnahmen begegnet bin, haben durchweg positiv auf die Aktion zum Schutz der Amphibien reagiert. Danksagungen und Interessensbekundungen um selbst aktiv zu werden, doch Beschwerden gab mit Ausnahme von der Dame aus der Seitenstraße am Altenheim keine. Als im weiteren Verlauf des Telefonats Begriffe wie Ordnungswidrigkeit und Eingriff in den Straßenverkehr fallen, werde ich hellhörig und schalte instinktiv in den Verteidigungsmodus. Ich lass mich doch nicht von einem Nichtjuristen am Telefon vorverurteilen.
Perspektivische Aussicht
Zwischendurch kommt zwar auch immer wieder zum Ausdruck, dass man sich nach der aktuellen Pandemie-Lage im Herbst mit allen Beteiligten zusammensetzen möchte, um eine langfristige Lösung zu finden, aber mein Fokus war ab dem Zeitpunkt vordergründig auf die Begrifflichkeit der Ordnungswidrigkeit und den Eingriff in den Straßenverkehr gerichtet. Außerdem soll das Ganze nicht im Wissen der städtischen Behörde erfolgt sein, wie man unmissverständlich hinzufügt.
Nachdem deutlich herauszuhören war, dass unsere Aktion grundsätzlich nicht legal gewesen ist, da sie mit Gefahren für Parkbesucher und die Parkinfrastruktur einhergehen würde, werden wir dahingehend aufgefordert die nicht rechtskonformen Aufbauten trotz der akuten Notwendigkeit und der löblichen Absicht unbedingt und zwar schnellstmöglich zu entfernen. Nach abschließender Wiederholung der Aussicht, sich mit allen Beteiligten nach den Corona-bedingten Kontaktbeschränkungen zusammensetzt, um die Gully-Problemlage im Eickeler Volksgarten kostengünstig und langfristig zu beseitigen, musste ich das Gespräch zunächst einmal verdauen.

Situative Innenwelt
Auf der einen Seite war ich aufgrund der Beschuldigungen und drohenden rechtlichen Konsequenzen entsetzt, auf der anderen Seite hatten wir aber dadurch, dass ich über die Amphibienschutzaktionen Beträge ins Netz gestellt habe, plötzlich und unerwartet die Chance bekommen, langfristig was an der prekären Situation im Eickeler Park zu ändern. Unabhängig davon war genau das sowieso unser langfristiges Ziel, allerdings sah mein Plan es vor, den Kontakt zu BUND und Stadt aufgrund der bestehenden Problemlage erst nach der diesjährigen Amphibienschutzaktion zu suchen. Aber gehopst wie gesprungen, wobei der Weg wohl der schnellere und direktere war.
Kröten-Didi versteht die Welt nicht mehr
Da ich derjenige gewesen bin, dessen Kontaktdaten man aufgrund des Impressums im Blog hatte, war ich natürlich auch derjenige, die Botschaft an DD weitergeben musste. Nachdem ich mich daraufhin mit Doppel-D kurzgeschlossen hatte und ihn über die behördliche Rüge informiere, fällt er aus allen Wolken. Er ist sich natürlich ebenfalls keiner Schuld bewusst und erzählt mir darüber hinaus, dass er damals während der Neuanlegung des Teichs vor fast 10 Jahren sogar mit einem Vertreter der Stadt über die Problematik im Umfeld Biotop gesprochen hätte. Für mich besonders kurios war aber die Information, dass schon damals beim Biotopbau zur Sprache gekommen sein soll, dass das gesamte „Regenleitungssystem im Park völliger Schwachsinn“ ist und es von Anfang an sinnvollere Lösungen gegeben hätte.
Blick nach vorne
Nachdem bei uns Beiden der erste Ärger verflogen war, waren wir uns sofort dahingehend einig, dass die aus unserer Sicht weiterhin sinnvollen und vor allem notwendigen Sicherungen demontiert werden müssen. Die Terminfindung gestaltet sich kompliziert und dauerte für meinen Geschmack viel zu lange. Und da mich die Angelegenheit tierisch wurmte, obwohl ich mit meinem Handeln absolut im Reinen bin, ich die Angelegenheit aber zeitnah aus der Welt geschafft haben will, erkläre ich mich bereit die Gully-Modifizierungen schon am nächsten Tag auf meiner Laufrunde alleine zu entfernen.

Aufgeben ist keine Option
„Na toll, dann kann ich da jetzt bis Dezember jede Woche hinlaufen, um die Gullys zu kontrollieren, weil ja die Gefahr nicht nur während der Laichwanderung im Frühjahr besteht, sondern auch in der Zeit nach Abschluss der Metamorphose zum landlebenden Tier. Gleichzeitig sehen wir aber auch das Positive an der Situation und die Gelegenheit, dass sich zukünftig und vor allem langfristig etwas an der prekären Gully-Situation im Eickeler Park ändern wird.
Rundmail bringt das Fass zum Überlaufen
Im Laufe des Tages erreichte mich eine weitere Mail zum Thema, doch war die E-Mail nicht direkt an mich adressiert, sondern ich war lediglich im CC (Carbon Copy) hinzugefügt. In der Rundmail stellt man die Situation dann so dar, als hätte ich eingestanden, mich unwissentlich einer Ordnungswidrigkeit beziehungsweise eines Eingriffes in den Straßenverkehr, was eine Straftat entsprechen würde, schuldig gemacht zu haben. Was in einer privaten Mail zwischen zwei Personen vielleicht noch hinnehmbar gewesen wäre, kommt in einer Rundmail mit vier Adressaten einem Schuldgeständnis vor Zeugen gleich. Weshalb ich mich unmittelbar nach Kenntnisnahme genötigt sah, diese Unterstellung entschieden zurückzuweisen.
Neben dieser Unterstellung fordert man mich außerdem indirekt dazu auf, auch die Blogbeiträge aus meinem „News Block“ zu entfernen. Es wäre nach dem Behördenempfinden schön, wenn die Blogbeiträge mit dem Thema Gully-Problematik im Eickeler Park gelöscht werden würden, da man ja niemanden zur Nachahmung anregen möchte. Wie bitte? Also eine subtilere Form der Unterdrückung unliebsamer Informationen habe ich bisher noch nicht erlebt.
Keep calm und breath…
Doch spätestens nach dem Zensurversuch war das sonst bei mir ausgeprägte Bedürfnis nach Harmonie mindestens aus dem Gleichgewicht und das Maß an Verständnis überschritten, weshalb ich gedanklich vom Verteidigungsmodus in den Angriffsmodus schalte. Glücklicherweise konnte ich meine Wut dahingehend kanalisieren, dass ich meine Reaktion zunächst schriftlich festhalte und das geschah nicht mit der Absicht, sie unmittelbar sondern erst nach der Demontage-Runde am anderen Morgen abzuschicken.
In der Ruhe liegt die Kraft
Die Vorgehensweise, eine Nacht über solche Animositäten zu schlafen und den ersten Frust verfliegen zu lassen, bewahrt mich vor einer zu emotionalen Reaktionen und hat sich im Nachhinein auch in dieser Angelegenheit als vorteilhaft erwiesen. Man muss die Sache ja nicht weiter eskalieren lassen. Zudem wollte der verbale Gegenschlag wohl bedacht und gut vorbereitet werden. Zudem stand die Demontage-Runde sowieso erst für den nächsten Tag an, deshalb heißt es bis dahin Füße stillhalten.
Verkehrte Welt
Hätte man mir vorher gesagt, dass das Sichern von Gullys in einem städtischen Park zum Schutz der dort lebenden Amphibien derartige Interessenkonflikte auslösen würde, sodass mich von oberster Stelle einer städtischen Behörde eine Rüge ereilt, dann hätte ich das sicherlich nicht für möglich gehalten. Allerdings muss ich auch zugeben, dass ich mir weiterhin keinerlei Schuld bewusst bin, ich mir aber dahingehend sicher bin, dass ich DD auch weiterhin bei den nächsten Gully-Kontrollen begleiten werde.

Das soll es vom Teil der behördlichen Rüge vorerst gewesen sein. Wie es mit dem Thema weitergeht und wie mein verbaler Gegenschalg ausgesehen hat und darüber hinaus sicherlich noch eine Menge mehr an Informativem gibt es im nächsten Beitrag, aber erst nachdem die „Aufbauten“ demontiert wurden.
Da hat der Blog doch einmal was bewirkt. Jetzt musst du nur noch dazu beitragen, dass sich die Dinge in die richtige Richtung bewegen, und vielleicht kommt so eine langfristig brauchbare Lösung für die Gully-Fallen heraus. Dass der Amtsschimmel nicht immer freundlich klingt, wenn er wiehert, gehört da irgendwie dazu.
Liebe Grüße, Richard
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Hallo Richard,
ja so ein Blog kann verdammt hilfreich sein, um sich als kleiner Bürger eine große Öffentlichkeit zu verschaffen. Zumindest hat er in diesem konkreten Fall den Stein ins Rollen bringen können. Inwieweit es beim Lippenbekenntnis der Behörde bleibt, etwas für die Amphibien am Standort tun zu wollen, oder ob man tatsächlich etwas an der Situation ändern will, wird sich spätestens Ende des Jahre zeigen. Ich befürchte allerdings, dass aufgrund der aktuellen Lage und den damit einhergehenden angespannten kommunalen Finanzlagen es genau solche Vorhaben sein werden, die als Erstes verschoben werden müssen.
Naja abwarten und Schmetterlinge gucken – ich habe meinen Teil geleistet. Und ich war darüber hinaus sogar schon konstruktiv und habe meine Erkenntnisse in einer plakativen PPT zusammengefasst und habe diese an alle Beteiligten verschickt. Natürlich auch mit der Absicht den Kreis der Mitwisser zu erweitern, und dadurch den Druck auf die Stadt zum Handeln weiter zu erhöhen!
Beste Grüße , bleib gesund & positiv!!!
Christian
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