Arbeiten am Hüller Bach im Rahmen der Emscher-Renaturierung führen zu einer saisonal-atypischen Austrocknung angrenzender Feuchtbiotope. Auch im LSG Röhlinghausen wird im Frühjahr 2021 zum Schutz der dort laichenden Amphibien eine Refill-Aktion des Gewässerbiotops notwendig!
In den zurückliegenden Jahren lag es in der Regel am trocken-warmen Klima und dem damit einhergehenden Mangel an Niederschlag, wodurch die erfolgreiche Metamorphose heimischer Amphibien – gemeint ist hiermit die Entwicklung der Amphibien von der aquatischen Larvenform zum Landlebewesen, zumindest behindert wurde. In diesem Amphibienjahr (2021) dahingegen ereilte Kröte, Frosch und Molch das Schicksal einer zu frühen Austrocknung ihres Gewässerbiotops schon bevor Laichwanderungen überhaupt flächendeckend begonnen hatten. Auch wenn das Resultat im Vergleich zu den Vorjahren sehr ähnlich scheint, ist die Ursache, obwohl ebenfalls durch Menschenhand verursacht, nicht das Klima oder der ausgebliebene Niederschlag, sondern die Renaturierung des Hüller Bachs.

Der Zweck heiligt trotz erheblicher Nebenwirkungen die Mittel…
In Anbetracht der positiven Auswirkungen, die die Renaturierung des größten Nebenflusses der Emscher auf die zukünftige Biodiversität in den Ökosystemen und natürlich auch die zu erwartende Steigerung der Wohn- und Lebensqualität derjenigen, die seit Jahrzehnten an und mit den Begleiterscheinungen eines schmutzwasserführenden Flusses leben, mit sich bringt, lässt die temporär begrenzten Kollateralschäden dieses Jahrhundertprojektes marginal erscheinen und hilft sie bis zu einem gewissen Punkt zu tolerieren.
Baubedingte Grundwasserabsenkung hat dramatische Folgen für die Biotope in direkter Nachbarschaft zum Hüller Bach
In einem früheren Beitrag (Januar 2020) berichtete ich davon, dass die unnatürliche Absenkung des Wasserpegels in den Gewässern im Bereich des NSG Blumenkamp zu einer akuten Problemlage geführt hatte und dass dieses im September 2020 in einem WAZ-Beitrag öffentlich thematisiert und diskutiert wurde. Irritierenderweise ist man von Behördenseite damals zu dem Ergebnis gekommen, dass die Austrocknung ein natürlicher Prozess gewesen sei, weshalb ein externes Eingreifen in die natürlichen Abläufe des Naturschutzgebietes nicht beabsichtigt wurde. Glücklicherweise wurde die Haltung in der Behörde in dieser Angelegenheit überdacht und zeitnah revidiert.

Nicht nur das NSG Blumenkamp von den „Nebenwirkungen“ betroffen
So wie das NSG Blumenkamp liegt auch das LSG Röhlinghausen unmittelbar am Hüller Bach, weshalb auch dort seit Monaten Kanalisierungsarbeiten im Rahmen der Emscher-Renaturierung durchgeführt werden. Die beiden „Naturoasen“ sind über das „grüne Band“ der Erzbahntrasse miteinander verknüpft und liegen gerade einmal 750 Meter Luftlinie oder eine kleine Wohnsiedlung voneinander entfernt. Allerdings handelt es sich beim NSG Blumenkamp um ein Naturschutzgebiet, wohingegen das LSG an der Hofstraße lediglich ein Landschaftsschutzgebiet darstellt, die dortigen Gewässer rechtlich betrachtet somit eigentlich auch nicht als Gewässer, sondern als technische Anlagen des Hochwasserschutzes zu bewerten sind.
Das LSG Röhlinghausen und das NSG Blumenkamp – zwei unterschiedliche Patienten mit identischen Symptomen
Obwohl ich zugegebenermaßen kein ausgewiesener Tiefbauexperte bin, spricht einiges dafür, dass zur Durchführung der unterirdischen Arbeiten das Grundwasser für die Dauer der Baumaßnahmen zur Kanalisierung des Hüller Bachs 24/7 mit leistungsstarken Pumpen abgesenkt werden musste, was auf die Pegelstände der umliegenden Feuchtbiotope gravierende Auswirkungen hatte. Die geplanten Baumaßnahmen im LSG Röhlinghausen waren im Vergleich zum NSG Blumenkamp umfangreicher, begannen zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt und erstreckten sich dementsprechend über einen längeren Zeitraum, da nicht nur die senkrechten Zugangsschächte für die Kanalisierung, sondern darüber hinaus auch ein Pumpwerk bzw. weitere Infrastruktur zum Hochwasserschutz errichtet werden mussten.

Viel hilft viel – hohes Fassungsvolumen schützt vor „Dehydration„
Bei näherer Betrachtung der beiden Feuchtbiotope lassen sich weitere Unterschiede erkennen. Während es sich beim Gewässerbiotop im LSG Röhlinghausen um eine naturnahe technische Anlage handelt, die vor Jahren für den Hochwasserschutz am Hüller Bach künstlich errichtet wurde und seit dem regelmäßig gepflegt und gewartet wird, befindet sich im NSG Blumenkamp ein (fast) natürliches Gewässer, das durch Bergsenkung entstanden ist und bis auf wenige Pflegearbeiten komplett sich selbst überlassen ist. Neben den daraus resultierenden rechtlichen Konsequenzen lassen sich weitere Differenzen ausmachen. So ist das Fassungsvermögen der technischen Anlagen des Hochwasser-Auffangbeckens baulich bedingt wesentlich größer, was sie grundsätzlich resilienter gegenüber klimabedingte Trockenheit macht, was für die dort lebenden Amphibien aber durchaus mit Nachteilen verbunden sein kann, da sich ein stabiler Fischbestand etablieren kann und mit weiteren Problemen verbunden sein kann, wie es in Form der illegaler Fischwilderei während des letzten Jahres der Fall gewesen ist. (Betrag-Serie zu Fischwilderei in Herne)

Persistentes Wasserdefizit durch verfrühtes Maßnahmenende
Dennoch wurde auch im LSG Röhlinghausen während der Sommermonate das aus der Baugrube abgepumpte Grundwasser mithilfe eines aufwendigen Rohrleitungssystems zurück in die beiden Auffangbecken gleitet, was in den Teichen der naturnahen technischen Anlage durchgehend zu einem relativ konstanten Wasserpegel beitragen konnte. Weil mit Beendigung der Kanalisierungsarbeiten im LSG Röhlinghausen ein Abpumpen des Grundwassers überflüssig geworden war, wurde die Umleitung des abgepumpten Grundwassers in die beiden Teiche gestoppt. Dies geschah zu einem Zeitpunkt bevor ein für die Jahreszeit normaler Füllstand des Teiches erreicht war, sodass ein Defizit hinsichtlich des Wasservolumens über einen längeren Zeitraum vorlag, welches in der Folgezeit auch nicht durch den natürlichen Niederschlag der Wintermonate kompensiert werden konnte.

Endlich, Wasser marsch – lieber spät und kostspielig als nie!
Nachdem die Gewässerbiotope im NSG Blumenkamp mit den teilweise sehr seltenen Amphibienarten schon Ende Januar 2021 – also vor Beginn der diesjährigen Lachwanderung – dank eines aufwendig installierten Rohrleitungssystems mit dem abgepumpten Grundwasser nachträglich versorgt wurden, sind die offiziellen Stellen nun auch im LSG Röhlinghausen an der Hofstraße ihrer Verantwortung nachgekommen, indem die Auffüllung der dortigen Gewässer angeordnet wurde. Da die unterirdischen Bauaktivitäten in dem Bereich seit einiger Zeit abgeschlossen sind, besteht keine Notwenigkeit mehr, Grundwasser abzupumpen und da die Pipeline zur Zurückführung des abgepumpten Grundwassers darüber hinaus auch schon abgebaut ist, bleibt nunmehr nichts anderes übrig, als teures Trinkwasser für die Wiederauffüllung der Teich zu verwenden.
Ende gut, alles gut? Mitnichten!
Nachdem die Grundwasserabsenkung durch die Kanalisierungsarbeiten im Rahmen der Emscher-Renaturierung zu massiven Wasserverlust geführt hatten, wurde das bis Anfang März 2021 hinein existente Problem mehrfach von besorgten Naturschützern bei den verantwortlichen Stellen angezeigt. Lange Zeit blieben die Hilferufe ungehört. Das Aussitzen von Problemen scheint oftmals eine weitverbreitete Mentalität zu sein. Erst nachdem der „Kreis der Mitwissenden“ erweitert wurde, konnte Bewegung in die Angelegenheit gebracht werden. Dank des Engagements der aktiven Naturschützer, die die Verantwortlichen schlussendlich von der Notwendigkeit eines zeitnahen Intervenierens überzeugen konnten, steht dem nahenden Hauptlaichgeschäft auch im LSG Röhlinghausen nichts mehr im Wege.

Amphibische Anforderungen ans eigene Habitat
Unabhängig davon, dass ich die behördliche Intervention begrüße, bin ich der Meinung, dass der Füllstand im Hauptgewässer auch ohne initiierte Refill-Maßnahme für eine erfolgreiche Metamorphose ausreichend gewesen wäre. Da sich der Großteil der Ufervegetation, die sowohl von Molchen zum Befestigung ihrer einzeln gelegten Eier als auch von den Kröten zum Spannen der bis zu fünf Meter langen Laichschnüren benötigt wird, im Trockenen befindet, hätte die akute Wasserknappheit durchaus zu Problemen für die diesjährige Lurch-Generationen führen können. Darüber hinaus fungiert die Uferzonen-Bepflanzung für alle Larven gleichermaßen als Schutz vor Prädatoren.
Dank und Ehre gebührt, wem Dank und Ehre gebührt!
Neben den altbekannten Komplikationen, die durch die klimabedingte Dürre der letzten Jahre und durch die teilweisen hohen Verluste durch den Straßenverkehr verursacht werden, wäre eine suboptimale Gewässersituation ein weiterer Faktor, der zur Schwächung der Amphibienpopulation im Habitat beitragen hätte können. Glücklicherweise konnte dieser negative Impact vermieden werden, weshalb mein persönlicher Dank einmal mehr an Sabine und Matthias für ihren unermüdlichen Einsatz und ihr „penetrantes Nerven“ rausgeht. Zum wiederholten Male wurde gezeigt, dass sich Ausdauer, Hartnäckigkeit und Entschlossenheit im Umgang mit der bürokratischen Trägheit städtischer Behörden schlussendlich doch auszahlt!