Beobachtung aus dem LSG Röhlinghausen vom 29.05.2021
Verendeten Tieren begegnet man auch in den Breiten des urbaneren Ruhrgebiets immer mal wieder. Zumeist handelt es sich um Tiere, die Opfer des Straßenverkehrs wurden. So war es sowohl bei dem Totfund eines Fuchs als auch bei der toten Hauskatze. Der Anblick einer toten Schildkröte ist dahingehend dann aber doch ein eher seltener Anblick. Erst recht, wenn es gleich zwei Tiere sind und es sich bei den Schildkröten um hier nicht heimische Gelbwangenschildkröten handelt.

Schon vor drei Jahren hatte ich eine tote Schildkröte dieser Art bzw. deren leeren Panzer im Bereich des LSG Röhlinghausen bemerkt. Dass weitere Exemplare in dem Gewässerbiotop in der Vergangenheit ausgesetzt wurden, hatten zahlreiche Beobachtungen sonnenbadender Exemplare gezeigt. Bei einer dieser Beobachtungen konnte ich auf einem aus dem Wasser ragenden Baumstamm drei Exemplare beobachten. Falls es aber insgesamt nur drei waren, dürfte es zukünftig keine weiteren Beobachtungen geben.
Todesursache nicht eindeutig zu klären
Die beiden toten Schildkröten befinden sich im Uferbereich unmittelbar in der Nähe des Tores. Über die Todesursache lässt sich nur spekulieren, da es sich aber offensichtlich um zwei Schildkröten derselben Art handelt, die in relativ kurzer Zeit verendet sind, steht die Frage im Raum, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Tod der beiden Tiere gibt. Die Ursachen für das Verenden reichen von suboptimalen Wetterbedingungen, Veränderungen irgendwelcher anderer Habitat-Parameter, die durch irgendwelche Einleitungen verursacht wurden bis hin zu dem Stress, der durch die Vorfälle mit den Wildanglern ausgelöst wurde.

Vieles spricht für die späten Tiefsttemperaturen
Wobei der sprunghafte Kälteeinbruch im März dieses Jahres mit Temperaturen von bis zu -15°C und einer erstmals wieder komplett zugefrorenen Eisdecke, für mich persönlich der plausibelsten Erklärungsansatz zu sein scheinen. Inwieweit diese Wetterbedingungen zu einem veränderten Nahrungsangebot geführt haben, lässt sich nicht zweifelsfrei belegen. Möglicherweise waren die Wetterbedingungen auch idealer Nährboden für Infektionen, die durch Pilze oder Bakterien ausgelöst wurden.
Winterstarre als Strategie gegen die kalte Jahreszeit
Stellt sich die Frage, wie es hier bei uns ausgesetzten Arten, die eigentlich aus viel wärmeren Gefilden kommen, überhaupt gelingen kann, dem deutschen Winter zu trotzen. Wobei sich ihre Strategie nicht vom Verhalten heimischer Schildkrötenarten unterscheiden wird. Doch mit welchen Überlebenstaktiken schaffen es die heimischen Arten über den Winter? Schildkröten zählen zu den poikilothermen Tieren, was bedeutet, dass ihre Körpertemperatur nicht konstant ist, sondern ungefähr der Temperatur des Mediums entspricht, in dem sie sich aufhalten. Sinkt die Wassertemperatur im Winter ab, begeben sie sich auf den Grund des Gewässers, fahren Stoffwechsel und Atmung runter. In dieser Winterstarre können sie mehrere Monate, ohne Nahrung aufnehmen zu müssen, im Gewässerschlamm ausharren.

Gelbwangenschildkröten eine invasive Art
Neben den eingeschleppten exotischen Arten ist in Deutschland nur die Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) heimisch. Die Anwesenheit der Florida-Kröte bedeutet für sie zusätzliche Konkurrenz um die sowieso limitierten Ressourcen in einem zunehmend schrumpfenden Lebensraum. Inwieweit die Anwesenheit der Exoten direkten oder indirekten negativen Einfluss auf die Europäische Schildkröte hat, kann ich nicht beurteilen. Bei den Schmuckschildkröten sind mir jedoch keine direkten Negativfolgen bekannt. Als Krankheitsüberträger wie der Kamberkrebs fungiert sie nicht. Da sie aber dennoch als invasive Art eingestuft ist, scheint die Anwesenheit negative Nebenwirkungen für die heimische Flora und Fauna zu haben.
Mensch als Superspradder fremder Tier- und Pflanzenarten
Die Gelbwangenschildkröte ist nur ein Beispiel aus einer langen Liste an Arten, die durch den Menschen in heimische Ökosysteme eingeschleppten wurden. Das Aussetzen nicht heimischer Tieren ist streng verboten und wird mit hohen Geldstrafen geahndet. Das bewusste oder unbewusste Einschleppen fremder Arten birgt für die ökologischen Systeme eine unkalkulierbare Gefahr. Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, welche katastrophalen Folgen invasive Arten für Natur und Wirtschaft haben können. Die Liste der Negativbeispiele ist lang und wird dank des globalen und unkontrollierbaren Welthandels von Jahr zu Jahr länger.
Drei Beispiele, die das Problem exemplarisch skizzieren:
(1) Krebspest (Aphanomyces astaci)
Die unbedachte Einführung des Kamberkrebs (Orconectes limosus) aus fischereiwirtschaftlichen Gründen. Die amerikanische Krebsart ist Überträger der Krebspest (Aphanomyces astaci), die für den heimischen Edelkrebs (Astacus astacus) tödlich endet, gegen die er selbst aber immun ist. Der Europäische Edelkrebs ist stark bedroht und deshalb streng geschützt.
(2) Varroamilbe (Varroa destructor)
Ähnlich passierte es in der Bienenimkerei mit der Ausbreitung der Varroamilbe (Varroa destructor). Zu Forschungszwecken wurde die Östliche Honigbiene (Apis cerana) 1977 per Direktimport aus Asien nach Deutschland geholt. Fatalerweise wurde der Befall der Bienen mit der Varroamilbe nicht bemerkt. Während Freilandversuchen kam es, wie es kommen musste, zur Übertragung der Milbe auf die Westliche Honigbiene. Während die Milbe mit den östlichen Verwandten in Koexistenz lebt und lediglich deren Drohnenbrut befällt, wodurch die Verluste kein großes Problem darstellen, befällt die Milbe die gesamte Brut der westlichen Verwandten und vernichtet bei ausbleibender Behandlung durch den Imker ganze Völker. Die Varroamilbe kam als blinder Passagier und sorgt weltweit für massive ökonomische Schäden in der Imkerei .
(3) Batrachochytridium salamandrivorans (Bsal)
Von verantwortungslosen Terraristen ausgesetzte oder entlaufene Amphibien, die mit dem Hautpilz Batrachochytridium salamandrivorans (Bsal) infiziert waren und zu einer flächendeckenden Ausbreitung der für Amphibien tödlichen Seuche geführt haben. Der Pilz hat zu verantworten, dass in den nächsten Jahren nahezu alle Feuersalamander und Großmolcharten in Deutschland und Europa ausgestorben sein werden.
Es gibt leider zu viele Beispiele…
Der Waschbär war einst in Nordamerika heimisch. Jetzt plündert er hier die Gelege seltener Vogelarten und auch strenggeschützte Muschelarten stehen auf seiner Speisekarte. Der Buchsbaumzünsler hat seinen durch den globalen Handel aus Ostasien zu uns nach Europa gefunden, die Einfuhr von Wollkrabben und Schwarzmeergrundeln als blinde Passagiere im Ballastwasser des internationale Schiffsverkehrs sind längst nicht nur ein Ärgernis der Petri Jünger. Die Schwarzmundgrundeln überschwemmen die deutschen Wasserstraßen und laben sich zu erfolgreich an der Brut heimischer Fischarten.
Abschließendes Resümee
Die Liste der durch den Menschen bewusst oder unbewusst eingeschleppten Arten, die in der Vergangenheit und auch zukünftig katastrophale Folgen für die heimische Flora und Fauna hatten und leider haben werden, ließe sich mit Sicherheit noch weiter ausführen. Dabei ist eins klar. Nicht die eingeschleppten Tier- und Pflanzenarten sind das eigentliche Problem, sondern der unbedacht agierende Mensch, der sich darüber hinaus zu oft von niederen Beweggründen bei seinen Entscheidungen leiten lässt!
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