Beobachtung aus der Landschaft vom 22. Juni 2021
Auf einer Laufrunde durch die heimatliche Landschaft wurde ich Ende Juni Zeuge eines Phänomens, von dem ich bis zu dem Zeitpunkt nur gelesen oder gehört hatte. Von jetzt auf gleich tauchte ein zunächst nicht näherdefinierbares aber durchaus bedrohliches Geräusch auf. Möglicherweise das Summen von Insekten, aber es war nicht das Summen eines einzelnen Insekts. Es war vielmehr ein regelrechtes Getöse und hörte sich an, als würden tausende von Insekten irgendwo in der Nähe einfallen. Und ich sollte mich nicht verhört haben, denn genau so war es auch.

Kalter Schauer trotz gefühlten 30° C und Sonnenschein
Keine zwanzig Meter vor mir rechts in einem Gebüsch in einer Höhe von knapp fünf bis sechs Metern hatte sich um die Krone einer dort stehenden Jungbuche eine riesige dunkle Insektenwolke gebildet. Auf den ersten Blick und aus der Ferne sind die Insekten zwar nicht näher zu bestimmen, aber das Phänomen eines schwärmenden Bienenvolkes war mir zu dem Zeitpunkt bekannt. Dennoch war ich zunächst unsicher, ob es sich bei dem Schauspiel tatsächlich um ein schwärmendes Bienenvolk handelt oder wohlmöglich um einen Schwarm von Hornissen oder Wespen, die durch irgendwas in Rage gebracht wurden und jetzt marodierend durch die Landschaft zieht? Prinzipiell hätte man auch ein Schwarm Heuschrecken vermuten können, wobei das Getöse hinsichtlich des Klangs und der Tonhöhe dann doch eher nicht dazu passte. Als ich unmittelbar vor dem Baum stehe, durchfährt mich ein unwohles Gefühl und ich bekomme Gänsehaut, aber ich bin mir sicher, dass es ein Bienenschwarm ist.
Und wieder kein Handy am Start
Was tun man in einer solchen Situation, wenn man das Handy nicht dabei hat und es auch sonst weit und breit keine Möglichkeit gibt, den nächsten Imker telefonisch zu kontaktieren. Genau man läuft einfach zu ihm hin und informiert ihn vor Ort persönlich Face-to-Face. Ebenso wie Informationen in früheren Epochen von vielen Zivilisationen übermittelt wurden. Da ich mein Laufrevier über die Jahre recht gut kennengelernt habe, weiß ich, dass es am anderen Ende des Kabeisemannweges knapp einen Kilometer vom Ort des Schwarms entfernt, einen Imker gibt. Und da ich sowieso laufend unterwegs bin, sind die aus dem Umweg resultierenden zusätzlichen zwei Kilometer keine wirkliche Herausforderung, wobei das Wetter alles andere als läuferfreundlich gewesen ist.

Imkerkontakt zum ersten
Am Gartentor angekommen sehe ich schon die beiden älteren Herren im Garten sitzen, was mir die Kontaktaufnahme erleichtert. Ich schildere ihnen die beobachtete Situation in der Erwartung, dass die beiden ihren Kram zusammenpacken und sich unmittelbar auf den Weg machen, um das herrenlose Bienenvolk einzufangen. Denn in Deutschland ist jeder per Gesetz dazu berechtigt, ein herrenloses Bienenvolk einzufangen, wodurch das Bienenvolk in den Besitz des Fängers übergeht. Doch weit gefehlt, die beiden scheinen wenig begeistert. Der Imker erzählt mir, dass schon heute Vormittag ein Schwarm bei ihm angekommen wäre. Nachdem er nochmals nachgefragt hatte, in welcher Höhe sich das Volk abgesetzt hat und ich die ungefähre auf fünf bis sieben Meter beziffert hatte, war mir klar, dass von den beiden niemand das Volk einfangen will. Er erklärt mir, dass der Schwarm definitiv nicht von ihm sei und verwies mich auf Herrn Kessen, der in der Nähe ebenfalls Völker stehen hätte.
Steile These: Unfaire Honigernte Grund für das Schwärmen?!
Er erklärt mir weiter, dass Grund für das Schwärmen der Bienen seiner Meinung daran liegen würde, dass viele Imker in den letzten Tagen zu viel Honig geerntet hätten und die Bienen dadurch zum Schwärmen veranlasst wurden. Die Bienen blieben zwei bis drei Tage erst mal an ihrem Sammelpunkt bis eine passende Unterkunft gefunden werden konnte. Falls sie nicht eingefangen werden würden oder sie nichts Passendes finden, würden sie vielleicht auch zu ihm kommen, ohne dass er sie aktiv einfangen müsste? Wie man schwärmende Völker anlockt, oder ob man sie überhaupt anlocken kann, hätte mich zwar interessiert, da meine Meldung des Volkes aber nicht auf zu starkes Interesse stößt, was aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Imkers und Außentemperaturen von an die 30°C mehr als verständlich ist, beende ich die Unterhaltung. Und führe meine Laufrunde fort, denn schließlich warten durch den Umweg jetzt noch knapp sieben schweißtreibende Kilometer auf mich.

Aufgeben zählt nicht zu meinen Stärken!
Zu Hause angekommen, habe ich, noch bevor ich die durchgeschwitzten Klamotten gewechselt oder etwas getrunken hatte, meine Cam geschnappt und bin direkt nochmal zurück zum Bienenvolk gefahren, um mir das Schauspiel durch den Zoom meiner Kamera nochmal genau anzugucken und natürlich um ein paar brauchbare Fotos zu machen, denn ein wilden Bienenschwarm ist ja schon was Besonderes, das man nicht jeden Tag zu Gesicht bekommt. Zudem wollte ich mich vergewissern, dass sich der Bienenschwarm auch tatsächlich an dem Baum abgesetzt hat, denn dass der Imker kein Interesse zeigte, den Schwarm einfangen zu wollen, dafür hatte ich durchaus Verständnis, aber zufrieden geben, wollte ich mich mit diesem Ausgang der Beobachtung nicht. Denn mir war natürlich bewusst, dass ein wilder Schwarm von Imkern in der Regel gerne gerettet wird, was natürlich auch logisch ist, wenn man bedenkt, dass ein Bienenvolk je nach Größe und Art um die 120-150 Euro kostet.
Letzte Chance Imker Kessen am Königsgruber Park
Vergewissern, ob die Bienen nicht schon weitergeflogen waren, musste ich mich also deswegen, weil ich die Absicht hatte, einen weiteren mir in der näheren Umgebung bekannten Imker zu kontaktieren – Imker Kessen am LSG Königsgrube. Möglicherweise trifft meine landschaftliche Beobachtung dort auf mehr Resonanz. Falls dieser Kontaktversuch allerdings ebenfalls ergebnislos bleibt, muss sich das Bienenvolk wohl eigenständig durchschlagen, wobei die Überlebenschancen des Volkes relativ überschaubar wären. In dem Fall würde der Honigvorrat, den die Bienen vor dem Auszug in ihrem Honigmagen verstaut hatten, für zwei bis drei Tage ausreichen. Danach sollte aber spätestens eine neue passende Behausung gefunden worden sein, ansonsten war es das mit dem Ausschwärmen.

Für die Königin gibt es kein Zurück...
Dann bliebe noch die Rückkehr zum alten Volk, was für die Arbeiterinnen ein durchaus denkbares Notfallszenario wäre. Andererseits könnten sich die Arbeiterinnen vielleicht auch in ein anderes Volk „einbettelt“, wobei die Königin diese beiden Optionen definitiv nicht hat. Sie müsste sowohl bei ihrer Rückkehr zu ihrem Alt als auch zu jedem anderen Fremdvolk damit rechnen, bei Anflug auf den Bienenstock von den Wächterbienen eliminiert zu werden. Die Erfolgsaussichten eines geschwärmten Bienenvolkes sich im Freien zu etablieren, sind aufgrund einer ausbleibenden Varroa-Behandlung, die einmal im Jahr vom Imker durchgeführt werden muss, eher als marginal einzuschätzen, aber nicht ganz auszuschließen. Erschwerend für dieses Volk dürfte aber wohl das nahende Hitzegewitter werden, welches für Morgen respektive Übermorgen angekündigt ist, was die Überlebensdauer ohne adäquaten Schutz weiter senken wird. Das Beste, das den Bienen passieren kann, wäre, dass sie eingefangen werden würden.
Wie die Geschichte weitergeht, ob dem Bienenschwarm geholfen werden konnte und was im weiteren Tagesverlauf noch passierte, erfahrt ihr im zweiten Teil des Zweiteilers „Bienenschwarm“ aus dem Themenbereich „praktische Bienenkunde“.

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