Beobachtungen aus der Landschaft vom 04.07.2021
Gewitter und anhaltender Dauerregen der vergangenen Tage haben dazu beigetragen, dass sich im LSG Röhlinghausen ein neuer See bilden konnte. Das neuentstandene Stehgewässer wird jedoch nicht von Dauer sein, denn die Freifläche im LSG Röhlinghausen stand auch in der Vergangenheit immer mal wieder unter Wasser. Dass dem so ist, ist keineswegs nur dem Wetter geschuldet, sondern Teil des Hochwasserschutzkonzeptes am Hüller Bach. Sobald am längsten Nebenfluss der Emscher ein kritisches Fassungsvermögen erreicht wird und auch die Kanalisation kein weiteres Wasser aufnehmen kann, so wie es bei Starkregenereignissen regelmäßig passiert, werden Teile der Wassermassen kontrolliert in die Bereiche der Hochwasserauffangbecken geleitet, wo sie sukzessive ins Erdreich versickern können.

Retentionsflächen als Backups im Rahmen des Hochwasserschutzes
Das Vorgehen dient der Entlastung des Abwassersystems und ist zu den strategischen Hochwasserschutzmaßnahmen zu zählen. Die Experten der Wasserwirtschaft bezeichnen die hierfür genutzten freien Flächen, die in der Regel tiefer als das eigentliche Fließgewässer liegen und sich mit Hilfe eines Stauwehrs je nach Situation kontrolliert fluten lassen, als Retentionsflächen. Immer dann, wenn innerhalb eines kurzen Zeitfensters massive Volumina an Oberflächenwasser auftreten, kann auf diese Weise das Peak-Aufkommen gepuffert werden. Es handelt sich hierbei also um eine bewährte Strategie, die je nach Bedarf zentral gesteuert werden kann.

Schutz tiefliegender Bauabschnitte
Im Gegensatz zu den vielen Bauabschnitten, die aktuell entlang des Hüller Bachs noch laufen, ist die Technische Anlange des Hochwasser-Auffangbeckens im LSG Röhlinghausen an der Hofstraße, die von der Emschergenossenschaft betrieben wird, schon seit mehreren Jahren in Betrieb und unwettererprobt. Möglicherweise musste durch das Fluten der Anlage in Röhlinghausen auch „Druck vom Kessel genommen“ genommen werden, um die flussabwärts noch aktiven Baustelle wie beispielsweise am LSG Pluto V, wo ein zu hohes Wasserlevel die relativ tieferliegende Baustelle wohlmöglich weggeschwemmt hätte?!
Auf die Bereichsflutung folgt unangenehme Geruchsbelästigung
In der Vergangenheit haben solche kontrollierten Überflutungen in der Folge des Öfteren zu unangenehmen Geruchsbelästigungen geführt, was daran liegt, dass der Hüller Bach immer noch neben dem „sauberen“ Oberflächenwasser auch Schmutzwasser transportiert, was in einem solchen Fall zwar in verdünnter Form aber dennoch auf die Ausweichfläche des Auffangbeckens gelangt. Schmutzwasser bedeutet in diesem Fall, jegliches Abwässer aus dem Haushalt, die mit Fäkalien beschmutzt sind, und auch industrielle Abwässer, die im Falle des Bochumer Schlachthofes in der Vergangenheit auch dazu geführt haben, dass sich der Hüller Bach unnatürlich rot gefärbt hatte.

Steigerung der Artenvielfalt dank Generationenprojekt Emscher-Renaturierung
Ende des Jahres wird mit den präzivilisatorischen Verhältnissen endgültig Schluss sein, da die Bauarbeiten zur Kanalisierung des Schutzwassers mittlerweile so weit fortgeschritten sind, dass das Generationen-Projekt Emscher-Renaturierung auf die Zielgerade einbiegen kann und vor der endgültigen Fertigstellung steht. Ab dem Zeitpunkt wird es mit oder ohne geflutete Auffangbecken zu einer sukzessiven Zunahme der Biodiversität entlang der Emscher und ihrer Nebenflüsse kommen. Dass es auch zukünftig zu massiven Anstiegen des Hüller Bachs kommen wird, ist im Angesicht des weiter fortschreitenden Klimawandels und den damit einhergehenden Zunahme der Extremwetterereignissen so sicher wie das Amen in der Kirche. Es bleibt zu hoffen, dass die planenden Ingenieure der Emscher-Renaturierung die Tatsache eines forcierenden Klimawandels mit in ihre Planungen einfließen lassen haben.
Glück im Unglück
Schon im letzten Jahr kam es in Folge eines Starkregenereignisses zur akuten Überflutung der Überlauffläche. Im letzten Jahr endete die Maßnahme in einer beinahe-Katastrophe für einen Schäfer, der mit seiner Schaf- und Ziegenherde die Wiesen im Rahmen der Deich- und Landschaftspflege erstmals beweidet hatte.

Eins ist sicher – die Natur nutzt die ihr gegebenen Nischen unmittelbar.
Beeindruckend war neben dem ungewohnte Landschaftsbild auch die Beobachtung, dass aus dem über Nacht entstandenen See schon am darauffolgenden Morgen ein lautes Froschgequake zu vernehmen war. Dies zeigt einmal mehr wie schnell sich die Natur auf neue Situationen eingestellen kann. Von den Raben, die in dem Bereich sonst zahlreich bei der Nahrungssuche zu beobachten sind, ist heute allerdings nichts zu sehen, aber spätestens wenn das Wasser wider verschwunden ist, werden sie an den dann reich gedeckten Insektentisch zurückkehren.
Überlfutetes Auffangbecken als Dauerlösung?!
Würde es nach mir gehen, dürfte die Grünfläche, die im trockenen Zustand ausschließlich von Gräsern und ein paar Insekten besiedelt wird, gerne permanent mit Wasser geflutet sein. Hierdurch ließen sich bestimmt weitere Vogelarten anlocken und die Biodiversität, vor allem was Amphibien und Reptilien betrifft, noch weiter steigern. Ein Landschaft mit Ringelnattern, Blindschleichen und riesigen Amphibienpopulationen direkt vor der Haustür bestaunen zu dürfen, das wäre super!
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