Auswertung des Amphibienschutz-Projektes 2020
Ergebnispräsentation & Datenanalyse
Während mit der Demontage des Amphibienschutzzauns der praktische Teil des diesjährigen Projektes zum Schutz der heimischen Amphiben an diesem Standort endet, fehlt zum endgültigen Projektabschluss noch die Analyse der im Projektzeitraum erhobenen Daten. Diese vorab angekündigte Datenanalyse erfolgt mit Hilfe einfacher Methoden der deskriptiven Statistik im Rahmen dieses Beitrages.
Drei Leitfragen stehen bei unserem Monitoring im Mittelpunkt:
- Wie hoch ist das Amphibienaufkommen an der Berliner Straße?
- Wie ist die Geschlechterverteilung?
- In welchen Bereichen des Zauns findet sich das höchste Aufkommen?
I. Aufkommen am Amphibienschutzzaun
Die wichtigsten Daten zum Amphibienaufkommen am Schutzzaun-Standort Berliner Straße im LSG Pluto V in Herne-Bickern sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.

1. Wichtige Daten im Überblick
- Aktionsstart/ Aufbau: 15.02.2020
- Wanderstart: 17.02.2020 (evtl. auch früher, aber ab dem WE stand der Schutzzaun) nach einem ungewöhnlich frühen Sommertag (T= 17°C)
- Massenwandertag: Zeitraum 09.-12.03 – nach vier regenreichen Tagen mit soliden Nachttemperaturen (T > 5°C) & Tagestemperaturen um die 10°C
- Wanderungsende: 13.03.2020
- Sonstiges: erhöhter Anteil an Krötenweibchen von 46,25 %
- Aktionsende/ Abbau: 14.04.2020
2. Gesamtstatistik am Beispiel Erdkröte (Bufo bufo)
Die nachfolgende Grafik zeigt die erhobenen Daten exemplarisch am Beispiel der Erdkröte (Bufo bufo). Dargestellt sind das Niederschlagaufkommen, die Entwicklung der Temperatur sowie die Geschlechteraufteilung der in den Fangeimern gefunden Erdkröten. Aufgrund der geringen Anzahl an erfassten Molchen im Beobachtungszeitraum wird auf eine grafische Darstellung verzichtet.

3. Vergleich Vorjahr 2019
Vergleicht man die Daten der Jahre 2020 mit denen des Vorjahres lässt sich deutlich erkennen, dass bei allen im LSG Pluto V vorkommenden Amphibienarten, die durch die Maßnahme des Schutzzauns erreicht werden (Erdkröte, Teichmolch, Bergmolch), erhebliche Populationsrückgänge zu verzeichnen sind. Bezogen auf die jeweilige Amphibienart bedeutet dies im Detail:

3.1 Erdkröten (Bufo bufo)
Im Vergleich zu den 108 geretteten Erdkröten (EK) des Vorjahres wurden in diesem Jahr nur 49 Exemplare gezählt, was einem Rückgang von 59 Erdkröten oder einen prozentualen Rückgang von 55% entspricht.
3.2 Teichmolch (Lissotriton vulgaris)
Bei den Molchen ist die Situation ebenfalls erschreckend. Beim Teichmolch (TM) ist ein Rückgang von 9 auf 5 Exemplaren (-44%) zu beobachten.
3.3 Bergmolch (Ichthyosaura alpestris)
Doch der Verlierer der Saison 2020, was den prozentualen Populationsrückgang betrifft, scheint der Bergmolch (BM) zu sein, dessen Population von 9 auf 2 registrierte Individuen (-78%) regelrecht einbricht. Allerdings ist bei den Molchen noch mehr als bei den Erdkröten zu beachten, dass die absoluten Populationszahlen schon immer sehr klein waren, sodass das Fehlen schon einzelner Individuen zu erheblichen prozentualen Veränderungen führen.
3.4 Roadkills
So wie das Amphibienaufkommen insgesamt zurückgegangen ist, so wirkt sich dieser Trend zum Glück auch auf die Zahl der Rodkills (X) aus. Waren es 2019 noch 34 Amphibien, die dem Straßenverkehr auf der L639 zum Opfer fielen, so sind es 2020 lediglich 11, was einem prozentualen Rückgang von 68% entspricht.
II. Wetterdaten im Beobachtungszeitraum
Ohne einige Worte über das im Projektzeitraum erlebte Wetter zu verlieren, wird dieser Rückblick 2020 nicht auskommen. Temperatur [°C] und Niederschlag [L/m2] sind die beiden wichtigsten Impulsgeber der amphibischen Wanderaktivität, die für die Tätigkeit des Betreuers eines Schutzzauns die höchste Relevanz aufweisen. Der Wanderstart der Amphiben erfolgt zumeist an regenreichen Tagen mit Nachttemperaturen deutlich über dem Gefrierpunkt (>5°C).

Auch während der Laichwanderung sind es diese Parameter, die ein hohes Amphibienaufkommen am Schutzzaun erwarten lassen, während sternenklare Nächte zumeist mit zu tiefen Temperaturen einhergehen und aus dem Grund die Fangeimer leer bleiben. Zudem sind Temperatur und Niederschlagsmenge die meteorologischen Parameter, die täglich in unsere Liste zur Projekt-Dokumentation einzutragen sind.
Sturm – Wintereinbruch – Dürreperiode
Drei Sturmtiefs (Sabine, Julia, Victoria) an drei aufeinanderfolgenden Wochenenden, Starkregen mit bis zu 38 Litern pro Quadratmeter, Mitte Februar T-Shirt-Wetter mit Temperaturen von um die 20°C, gefolgt vom Winterintermezzo mit Nachtfrost bis zu minus 6°C und von einer niederschlagsfreien Dürreperiode von Mitte März bis Mitte April von nunmehr 6 Wochen. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Heißzeit des letzten Jahres mit erheblichen Dürre- und Waldbrandgefahren in diesem Sommer nicht noch gravierender ausfallen werden. Hoffnung ist das eine, doch die Zahlen, Fakten und Klimamodelle vieler Klimaforscher sprechen eine andere Sprache.
Die Zeichen stehen auf Wandel
Sie deuten darauf hin, dass das wenig ambitionierte 2°C-Ziel des *Pariser Klimaabkommens (2015) trotz der Corona-bedingten Einsparungen nicht erreicht werden wird – sollten sich diese Befürchtungen bewahrheiten, waren diese zwei Monaten des Amphibienschutz-Projektes, in denen ich mich regelmäßig mit dem lokalen Wetter beschäftigt habe, nur ein kleiner Vorgeschmack an turbulenten Wetterkapriolen, die uns in Zukunft erwarten werden. Die Zeichen stehen auf Wandel – Klimawandel!
Auswirkungen von Corona?!
Zukünftig werden die Wetterphänomene häufiger und extremer, womit auf uns als Amphibienschützer, aber vor allem auf uns als Menschheit noch ganz massivere Probleme zukommen werden. Die Aktuellen Beschränkungen von Produktion und Verkehr scheinen zumindest temporär den Notausschalter getätigt haben zu können, inwieweit dieses erzwungene Timeout langfristige Effekte auf die Problemlage und das Problembewusstsein in Politik und Wirtschaft, aber auch beim Bürger haben wird, zeigen die nächsten Jahre, bleibt aber zumindest fragwürdig.
Kurzfassung: Wetter im Beobachtungszeitraum
1. Hälfte (15.02. (= Aufbau) bis zum 15.03.2020)
- Plötzlich und unerwartet 17°C schon Mitte Februar;
- 3 Sturmtiefs an 3 aufeinanderfolgende Wochenenden nach Wanderstart;
- 16.02. bis 14.03. fast jeden Tag Niederschlag
- Starkregen-Ereignis am 23.02. mit bis zu 38 Liter pro Quadratmeter;
- In dem Zeitraum nur 3 regenfreie Tage – Trockenheit aus den Vorjahren teilweise ausgeglichen; Niederschlag erreichte auch tiefere Bodenschichten;
- Kein ergiebiger Nachtfrost in den ersten 4 Wochen des Projektes (im Zeitraum von Mitte Februar bis Mitte März);
2. Hälfte (16.03. bis zum 14.04.2020 ( =Abbau))
- Dürre: Im Zeitraum 15.03. bis 15.04. minimaler Niederschlag nur an einem Tag;
- Rückkehr des Winters: Temperatureinbruch 20.03. bis 03.04. Nachtfrost bis – 6°C;
- Trockenperiode ging über den Zeitraum des Projektes hinaus;
- 6 Wochen ohne ergiebigen Niederschlag – erster Niederschlag am 27.04.2020;
- Medien hieß es, vergleichbare Nd-Werte wie in der Sahara;
- Ende April die ersten Waldbrände in Brandenburg und NRW;
III. Verteilung des Aufkommens auf die Fangeimer Amphibienschutzzaun Berliner Straße (Eimer-Bingo)
In diesem Jahr wurde das Monitoring um die Fragestellung nach der Verteilung des Amphibienaufkommens auf die am Zaun positionierten Fangeimern erweitert. Mit den erhobenen Daten sollte eine Antwort auf die Frage gefunden werden, welche Bereiche am Zaun wie stark frequentiert sind. Dazu hatten wir die Fangeimer durchnummeriert und die Anzahl der Eimerfunde in Abhängigkeit zur Position des Fangeimers am Schutzzaun dokumentiert. Die nachfolgende Grafik zeigt die Ergebnisse zu dieser Fragestellung.

1. Ergebnisse
- Hälfte des Zaun (Eimer 0-12) über 82% der Erdkröten und 100% der Molche
- Hälfte keine Molche und knapp 18% der Erdkröten
- Bereich Fangeimer 2-7 höchste Aufkommen (55% Gesamtaufkommen an EKs)
- Eimer 2 mit 7 Individuum Topwert, gefolgt von Eimer 3 & 7 mit jeweils 6 Erdkröten im Beobachtungszeitraum
Die Daten zeigen eindrucksvoll, dass sich das Amphibienaufkommen nicht gleichmäßig auf die Fangeimer am Zaun verteilt, womit sich unser „Gefühl“ bestätigt. In den Fangeimern 0-12 im brückennahen Bereich wurden 82% der Erdkröten und 100% der Molche registriert, währenddessen im hinteren brückenfernen Bereich (Fangeimer 13-25) lediglich 18% der Erdkröten und 0% der Molche gezählt werden konnten. Das unterschiedliche Aufkommen in Abhängigkeit zur Position des Eimers am Zaun lässt sich anhand der Daten deutlich erkennen, doch die Frage warum sich das Aufkommen so erheblich unterscheidet, bleibt offen.
2. Interpretation
Die Entfernung zum Laichgewässer könnte sicherlich ein Grund für die Beobachtung sein, geht man allerdings davon aus, dass der gesamte Bereich hinter dem Schutzzaun von den Amphibien als Winterquartier genutzt wird, wäre zu erwarten, dass auch die brückenfernen Bereich des Zauns ähnlich stark frequentiert worden wären. Denkbar ist deshalb auch, dass nicht alle Fangeimer gleich gut aufgestellt wurden, sodass die Fangwirkung nicht bei allen Eimern gleich war. Meine Vermutung geht in die Richtung, dass es mit der Vegetation in den Bereichen hinter dem Zaum zusammenhängt.
Bei genauerer Analyse der Ergebnisse fällt nämlich auf, dass die Fangeimer 14-19 gänzlich ohne Aufkommen blieben, was genau dem Bereich entspricht, der keine Brombeeren, keine Laubbäume und die meiste Freifläche aufweist. Denkbar wäre, dass die Amphibien diese Wanderroute in Richtung Laichgewässer auf Grund der fehlenden Deckung vor Beutegreifern aus der Luft meiden.
Möglicherweise hat das regelmäßige Herbstlaub auch positive Effekte auf die Qualität des Bodenbereiches – mehr Humus, lockerer Boden, idealer um sich einzugraben, mehr Schatten, keine direkte Sonneneinstrahlung, wodurch die Feuchtigkeit besser gehalten werden kann und sich ein besseres Mikroklima ergibt, dicke Laubschicht bietet viel Insektennahrung und bessere Versteckmöglichkeiten?!
IV. Analyse potentieller Gründe des Populationsrückgangs
Gründe/ Erklärungen/ Hypothesen
Für den dramatischen Rückgang des Amphibienaufkommens in der Saison 2020 an unserem Schutzzaun im LSG Pluto V in Wanne-Bickern sind diverse potentielle Ursachen denkbar. Bei Analyse der Situation scheinen für mich als interessierten Nicht-Experten die nachfolgenden Ursachen mit der höchsten Plausibilität einherzugehen, wobei die Rangfolge der Ursachen nicht zufällig gewählt ist, sondern meine persönliche Einschätzung der Relevanz für den Rückgang wiederspiegelt.
1. Wetter-/ Klimafolgen
Auf das Wetter im Projektzeitraum ist im Allgemeinen schon ausreichend eingegangen worden. In diesem Abschnitt der Projektauswertung geht es gezielt um die konkreten und potentiellen Auswirkungen und Folgen, die das Wetter für die Amphibien hat.
1.1 Austrocknung des Gewässers
Wiederholt frühzeitige/ zu frühe Einsetzen der Trockenperiode im Biotop während der letzten 2-3 Jahre, Austrocknung des Gewässers wiederholt vor Abschluss der Metamorphose, dadurch hohe Verluste wenn nicht sogar Totalausfall der nachkommende Amphibiengeneration. Auch diese Vermutung lässt sich natürlich nicht beweisen. Obwohl sich der exakte Zeitpunkt der Austrocknung des Gewässers im Habitat in den zurückliegenden Jahren nicht mehr exakt ermitteln lässt, lohnt es sich, bei diesem Punkt etwas genauer hinzugucken, da einige Fakten zur Entwicklung der Larven die Indizien erhärten, die Hauptursache des Populationsrückgangs beim frühzeitigen Austrockenen des Laichgewässers zu suchen! Evakuierungsmaßnahmen zum Schutz des Laichs, die durch eine verfrühte Austrocknung des Laichgewässers initiiert wurden, sind ebenfalls zu beachten, aber nur als Folge der Ursache zu betrachten!
1.1.1 Entwicklungsdauer bis zur Metamorphose bei Teich und Bergmolch
Nach Ankunft im Laichgewässer ist beim Berg- und Teichmolch die Wahl des Partners nach 1-2 Wochen erfolgt. Bis zur Eiablage vergehen weitere 1-2 Wochen. Die Gesamtdauer der Entwicklung, die sich aus Embryonal- und Lavalphase zusammensetzt, ist bei den beiden relevanten Molcharten sehr ähnlich und wie bei allen Amphibien vor allem von der Wassertemperatur abhängig.
Bergmolch: (4-5 Monate)
Entwicklungsdauer der Eier beträgt unter natürlichen Bedingungen 2–4 Wochen, die Dauer kann sich bei erhöhter (20–22 °C) Wassertemperatur auf 8–9 Tage reduzieren. Die Dauer der Lavalphase beträgt je nach Wassertemperatur etwa drei Monate, auch regelmäßige Überwinterung der Larven im Gewässer. BM weisen hohe Lebenserwartung auf mit einem Höchstalter bis etwa 30 Jahre. (vgl. DGHT (2019). Der Bergmolch Lurch des Jahres 2019. S. 21.)
Teichmolch: (3-5 Monate)
Bei 12 °C kann die Embryonalphase bis zu 35 Tage dauern. Bis zu auf etwa 10–12 Tage in besonntem Flachwasser. Abhängig von äußeren Faktoren wie Temperatur und Nahrungsangebot, setzt nach 6–12 Wochen die Umwandlung vom Wasser- zum Landleben ein. Die gesamte Entwicklung kann bereits ab Mitte Juli abgeschlossen sein, doch die Hauptmetamorphosezeit in Mitteleuropa liegt im August. (vgl. DGHT (2010). Das Teichmolchjahr.)
Bedeutung für das Habitat im LSG Pluto V
Bei einer 4 monatigen Abhängigkeit vom Element Wasser als aquatische Lebensform nach dem Erstfund (2020) Anfang März würde dies bedeuten, dass es mindestens bis Ende Juni dauern wird, bis die Molchlarven das Gewässer vollständig entwickelt verlassen werden können. Wenn man allerdings berücksichtigt, dass die „Hauptmetamorphose in Mitteleuropa im August“ stattfindet, das Gewässer im LSG Pluto V bis zu dem Zeitpunkt längst ausgetrocknet ist, dann scheint die Hauptursache gefunden zu sein!?
1.1.2 Entwicklungsdauer bis zur Metamorphose bei Erdkröte
Erdkröte: (Dauer 2-4 Monate)
Im Vergleich zu den Molchen erfolgen Partnerwahl und Ablaichen zeitlich betrachtet schneller und auch die Entwicklung zur Jungkröte ist im Vergleich zur Molchentwicklung beschleunigt.
Je nach Wassertemperatur schlüpfen die Larven (Kaulquappen) der Erdkröte nach 2-4 Wochen. Die Gesamtentwicklung vom Ei bis zur Umwandlung von Kaulquappe zu Jungkröte (Metamorphose) dauert in der Regel 2-4 Monate und hängt wie bei allen Amphibien stark von der Wassertemperatur ab. (Vgl. DGHT (2011). Das Erdkrötenleben im Jahresverlauf.)
Bedeutung für das Habitat im LSG Pluto V
Bei einem Erstfund (2020) Mitte Februar würde die Entwicklung Ende Mai/ Mitte Juni abgeschlossen sein.
1.2 Trockene Böden & Klimastresses
Der Klimawandel hat sich vor allem in den letzten beiden Jahren durch Hitze und Trockenheit bemerkbar gemacht und ist ins öffentliche Bewusstsein zumindest der jungen Generation gedrungen. Trockenheit ist auch für Lurche ein lebensbedrohendes Problem, denn Lurche sind hygrophile Lebewesen (Feuchtlufttiere), die nur bei hoher Luftfeuchtigkeit existieren können. Die Feuchttiere, zu den neben Amphibien auch Schnecken und viele Bodenorganismen gehören, haben keinen Schutz vor Verdunstung und sind deshalb auf eine hohe Feuchtigkeit der Umgebungsluft angewiesen. Inwieweit ein bis in tiefe Regionen ausgetrockneter Boden dazu in der Lage ist, für Verhältnisse mit ausreichender Luftfeuchtigkeit zu sorgen, ist fraglich.
Diese Bedingungen zu lange Trockenphasen in den zurückliegenden 2-3 Jahren bis in die tieferen Bereiche des Boden – möglicherweise ein damit zusammenhängender Klimastress, der bei den Amphibien zu einer erhöhten Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten geführt haben könnte oder sie einfach austrockenen lassen hat.
1.3 Frühstart
Möglicherweise ist der Beginn der diesjährigen Amphibienwanderung zum Laichgewässer aufgrund des wiederholt milden Winters ohne nennenswerte Frostphasen schon zu einem Zeitpunkt erfolgt, der vor Beginn des Monitorings (15.02.2020) liegt, was sich nachträglich nicht mehr feststellen lässt.
2. Beutegreifer
2.1 Rotfuchs
Die Beobachtung der Losung in erhöhter Position unmittelbar am Fangeimer vom 08.04.2020 hat uns zu der Vermutung kommen lassen, dass sich ein Beutegreifer, wobei einige Indizien für einen Rotfuchs sprechen, sein Revier am Schutzzaun markiert und sich möglicherweise an den amphibischen Eimerinhalten bedient. In Zaunnähe sind im zweimonatigen Projektzaunraum weitere Losungen beobachtet wurden. Zur Sichtung eines potentiellen Beutegreifers ist es nicht gekommen, weshalb es abschließend nicht möglich ist, die Losung einem konkreten Prädator zuzuordnen.
Lösung: Der Einsatz einer Wildkamera könnte eventuell bei der Aufklärung helfen, ob und welcher Beutegreifer am Zaun aktiv auf Beutefang geht.
2.2 Graureiher
Im Gegensatz zum Tatort Zaun konnte am Gewässer mehrmals ein Reiher beim Jagen beobachtet werden. Bei der geringen Gewässergröße wird er leichtes Spiel gehabt haben, Amphibien zu erbeuten. Inwieweit vermehrt Erdkröten zu seiner Beute gehört haben, ist allerdings fraglich. Zudem ist die Räuber-Beute-Beziehung eine natürliche Wechselwirkung zwischen zwei Arten.
3 Natürliche Abwanderung
Adäquates Winterquartier auf der anderen Straßenseite gefunden, was die lebensgefährliche Querung der L639 hinfällig werden lässt.
Oder ein geeigneteres Laichgewässer in der Umgebung gefunden – was vor allem bei den als Langstreckenwanderer bekannten Erdkröten realistisch erscheint.
4 Unbekannter Support
Nicht ausschließen sind unbekannte „Unterstützer“, die vor der offiziellen Kontrolle am Zaun entlanggehen und Amphibien, die sie in einen der Eimer entdecken, rüber zum Teich bringen, sodass der Eimerfund unserer Statistik verloren gehen würde.
Lösung: Laminierter Infozettel an der Brücke an Eimer 1 installieren mit den wesentliche Infos zum Zaun, Kontaktdaten, Statistik-Link, und der Bitte keine Tiere aus den Eimern zu entnehmen, da dies die Daten des Monitorings verfälschen würde.
5 Technische Fehler bei der LSG-Pflege
Idiotische Mahd des letzten Jahres, bei der bis auf einen 1m breiten Streifen der komplette Bereich bis auf minimale Pflanzhöhe zurückgeschnitten wurde, sodass viele Tiere zerhäckselt wurden.
Lösung: Vielleicht sollte man die Maßnahme in diesem Jahr zeitlich und in der Ausführung überdenken/ anpassen. Ideal wäre es, den Mahd-Vorgang in 2 Etappen zu unterteilen, sodass die Insekten als Nahrungsgrundlage sowie Versteck- und Schutzmöglichkeiten wenigstens zum Teil gegeben sind.
6 Pathogene
6.1 Chytridpilz und Ranavirus
Also die gängigsten Krankheitserreger, von denen ich bei Amphibien bisher gehört habe, sind die beiden Chytridpilze Bsal und Bd sowie das Ranavirus!? Inwieweit diese Pathogene die Erdkröte überhaupt befallen und ob es die relativ robusten Erdkröten in diesem Ausmaß so massiv dahinrafft, kann ich nicht beurteilen. Warum aber sollte dieser Effekt die Population im LSG Pluto V erst in diesem Jahr erreicht haben? Der „Salamanderfresser“ Bsal ist, denke ich, auszuschließen, da er primär Feuersalamander und Molche – hierbei vor allem den Kammmolch, betrifft. Zur Beurteilung der Bedeutung von Bd oder Ranavirus, fehlt mir jegliches Hintergrundwissen und für eine zeitintensive Recherche, fehlt mir aktuell die Muße!
Lösung: Unter bestimmten Umständen wären Hygienemaßnahmen sicherlich denkbar und ratsam, wobei selbst das LANUV bei der Herausnahme von Amphibien aus den Eimern keine generelle Empfehlung zum Tragen von Handschuhen ausspricht.
6.2 Larven der Krötengoldfliege (Lucilia bufonivora)
Es ist bekannt, dass die weibliche Krötengoldfliege ihre Eipakete auf den Rücken der Erdkröten ablegt, wo nach wenigen Tagen die Fliegenlarven schlüpfen, die in Richtung Nase wandern. Über die Nasenöffnung gelangen die Larven in den Krötenkopf, wo sie wichtiges Gewebe zerfrisst, was zeitnah zum Tod der Kröte führt.
Bei Larvenbefall mit der parasitoiden Goldfliege suchen Erdkröten auch im Sommer das Laichgewässer auf. Inwieweit das Wasser oder der Aufenthalt im Wasser den Befall stoppen kann, weiß ich zwar nicht, wenn aber kein Wasser im Teich ist, weil das Gewässer ausgetrocknet ist, hätte die Kröte keine Möglichkeit, sich gegen die Larven der Goldfliege zu Wehr zu setzen. Als weitere Abwehrreaktion hatte ich gelesen, dass sich die Kröte häutet. Möglicherweise ist für eine Häutung vermehrt Feuchtigkeit nötig, die aufgrund der klimatischen Situation nicht gegeben war.
Abschlussfazit:
Multifaktorielle Kausalität Grund des Rückgangs
Aufgrund der Komplexität ökologischer Prozesse, ist stark davon auszugehen, dass eine multifaktorielle Kausalität also ein Zusammenspiel verschiedener Ursachen zum massiven Populationsrückgang von über 50% am Zaunstandort Berliner Straße geführt hat. Ein denkbares Szenario wäre beispielsweise, dass vermehrter Klimastress und eine geschwächte Population auf ein suboptimales Habitat treffen, was aufgrund des kleinen Gewässers zu vermehrtem Schwund nachkommender Generationen und Abwanderung führt. Den Kombinationsmöglichkeiten der unter 1.) bis 7.) genannten potentiellen Ursachen sind hierbei natürlich keine Grenzen gesetzt. Sich aber lediglich auf nur einen der potentiellen Gründe (1-7) zu begrenzen ist m.E. weder zielführend noch würde es der Komplexität gerecht werden, deshalb bin ich der Auffassung, dass eine multifaktorielle Ursache der Grund für den Rückgang des Amphibienaufkommens verantwortlich ist.
Relativierung
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Populationsdaten in den Folgejahren entwickeln werden. Zu berücksichtigen gilt dabei auch, dass Populationen grundsätzlich natürlichen Schwankungen ausgesetzt sind. In Abhängigkeit von Biotopbedingungen (Nahrungsangebot, Klima, Beutegreifer), die von Jahr zu Jahr stark variieren können, sollte die Entwicklung langfristig einem dynamischen Prozess mit Ausschlägen in beide Richtungen zu beobachten sein. Wenn man sich allerdings die Entwicklung der Amphibienpopulation in den letzten 6 Jahre im LSG Pluto V anschaut, dann beschränkt sich dieser Prozess auf einen stetigen Rückgang des Aufkommens am Amphibienschutzzaun an der Berliner Straße.
Noch etwas Positives zum Schluss:
Erfolge & Errungenschaften der diesjährigen Amphibiensaison 2020
- Verschlossener Revisionsschacht im LSG Röhlinghausen
- Verbesserung der prekären Gully-Situation im Eickeler Volkspark ist zumindest angestoßen, aber (noch) nicht gelöst.
- Anfrage einer Schule im nächsten Jahr mit Schülern ins Projekt an der Berliner Straße einzusteigen
- Blühwiese am Zaun angelegt, Biodiversität gesteigert
- Vom Umweltamt der Stadt Bochum dazu ermächtigt worden, Reusen und anderes Fallengerät, das keine ID-Plakette aufweist und im Bochumer Stadtgebiet ausgelegt ist, konfiszieren dürfen.