Weihnachten und Kirche in Zeiten von Corona…
Für einige gehört der Weihnachtsspaziergang wie der Gänsebraten oder ein Besuch der Christmette am Heiligen Abend zum Pflichtprogramm der weihnachtlichen Feierlichkeiten. Dank der Bewegung an der frischen Luft kann dem in den besinnlichen Tagen schnell mal aufkommenden Weihnachtskollaps kurzzeitig entflohen und die Verdauung nebenbei auf die nächste Runde der kalorischen Völlerei vorbereitet werden. Darum ist ein Spaziergang spätestens am zweiten Weihnachtstag seit Jahren ein dankbarer und zugleich kalorienfreier Programmpunkt meines alljährlichen Weihnachtstreibens.
Zweiter Weihnachtsfeiertag, Wetter herrlich, Sonne satt, entspannte Gassi-Runde mit Bodo durch die weihnachtliche Landschaft von Hüller Bach und Erzbahntrasse.
Die diesjährigen Einschränkungen, die ein jeder durch den unerwünschten Dauergast Namens Covid-19 ertragen musste, waren sowohl was die vorweihnachtliche Adventszeit als auch die weihnachtlichen Festtage betreffen omnipräsent. So gab es weder Glühwein noch Weihnachtsmarkt, die feuchtfröhlichen Weihnachtsfeiern ob auf der Arbeit oder im Verein mussten ausfallen, auch die Kirche am Heiligen Abend konnte in diesem Jahr nicht stattfinden und selbst das familiäre Miteinander wollte und musste den bestehenden Corona-Beschränkungen untergeordnet werden und fiel zum Großteil denselben schlussendlich zum Opfer. Unabhängig von der weihnachtlichen Enge und einem drohenden Koller zwingt es mich als Läufer spätestens nach den ersten beiden Tagen der weihnachtlichen Mast nicht nur zur Bewahrung des familiären Weihnachtsfriedens raus in die Landschaft. Da mein Bruder in diesem Jahr am zweiten Weihnachtsfeiertag arbeiten musste, mit Bodo aber dennoch Gassi gegangen werden musste, war meine läuferische Weihnachtsrunde schon frühzeitig gesichert. Und Bodos Gassi-Runde wartete unmittelbar nach Verlassen der Haustür mit einer kleine weihnachtlichen Überraschung.

Schon aus der Entfernung waren an einer vor dem Eingangsportal der evangelischen Kirche an der Wittenbergstraße gespannten Wäscheleine dort hängende weiße und rosafarbene Briefumschläge zu sehen. Vor dem Kirchentor aus Holz hing außerdem ein Schild der Kirchengemeinde Wanne-Eickel Bezirk Röhlinghausen, das Jedem eine frohe Weihnacht wünscht und dazu einlädt, sich einen der Umschläge mitzunehmen. Wörtlich heißt es: „Gerne dürfen Sie sich einen Umschlag mitnehmen. Frohe Weihnachten wünscht die Evangelische Kirchengemeinde Wanne-Eickel, Bezirk Röhlinghausen.“ Zu dem Zeitpunkt wusste ich zwar noch nicht, was es mit dem Umschlag auf sich hat, aber ich komme der Aufforderung unmittelbar nach, nehme mir einen weißen Umschlag von der Wäscheleine und packe ihn ungeöffnet in den Laufrucksack. An den vielen bunten Wäscheklammern, die sich umschlaglos an der Leine befunden hatten, war zu erkennen, dass das bisherige Interesse an dem kirchlichen Angebot recht groß gewesen sein musste und anscheinend schon einige Briefe mit nach Hause genommen wurden.

Nachdem ich Bodo nach der 10km-Runde durch die heimatliche Landschaft wieder an seiner Homebase abgelieferte hatte und selbst zu Hause angekommen war, erklärte sich mir nach Öffnen des Umschlags der Grund für die Weihnachtsaktion der Kirchengemeinde. Da alle Gottesdienste aufgrund der geltenden Pandemie-Gesetzgebung und der daraus resultierten Beschränkungen nicht in Gemeinschaft gefeiert werden durften, hatten die Kirchen nach alternativen Angeboten gesucht, um den Fokus zumindest kurzzeitig auf das eigentlich Wichtige zu Weihnachten zu lenken – nein, im kommerzielle Massenkonsum liegt nicht der Ursprung für dieses christliche Fest – der wahre Grund für die weihnachtlichen Feierlichkeiten, ist vielmehr die Geburt Jesus Christus. Der Weg über die Briefumschläge, um einige Gmeindemitglieder trotz bestehender Beschränkungen zu erreichen, war für viele Gläubige ein willkommenes Angebot der Kirchen, um in Zeiten der Corona-Absurditäten zumindest ein wenig weihnachtliche Normalität zu erleben, und aus meiner Sicht war das Ganze eine mehr als gelungene Aktion!

Zusammenfassend bleibt noch zu sagen:
Dieses Weihnachtsfest war zwar in vielerlei Hinsicht anders, aber unter dem Strich den Umständen entsprechend dann doch irgendwie für Weihnachten angemessen. Auch wenn etwas mehr Normalität 2021 dann gerne wieder eingekehrt sein dürfte. Naja, wie auch immer – meine Jahresdosis religiöser Auseinandersetzung mit der Kernbotschaft des weihnachtlichen Festes habe ich dank dieser Kirchenaktion zumindest erhalten können.