Faszination Lepidoptera 2020/1 – Chronologie eines Live-Experiments

Gut Ding braucht Weile – Warten auf den Brennnesselfalter

Heute war mal wieder einer dieser Tage, an dem ich eine Beobachtung im Reich der Schmetterlinge machen durfte, die ich bis dato nicht live miterlebt hatte. Warum das Tagpfauenauge (Aglais io) zu den Brennnesselfaltern gezählt wird, sollte Jedem spätestens nach diesem Beitrag klar sein.

Im Laufe eines herrlichen Frühlingstages mit reichlich Sonne und wenig Wind kreuzten diverse Schmetterlinge meinen Weg. Neben Kohlweißling, Rapsfalter, Aurorafalter gehörten auch C-Falter und sogar ein Distelfalter dazu. Auf Höhe des ökologischen Kleingartens Kraut und Rüben bemerkte ich im Augenwinkel eine bis zu dem Zeitpunkt noch nicht wahrgenommene Falterfarbe, doch der Blick war für eine Bestimmung zu flüchtig.

Als sich der Falter nach kurzer Verfolgung absetzte, konnte ich erkennen, dass es sich um ein Tagpfauenauge (Aglais io) handelt, was nichts Besonderes ist, da Tagpfauenaugen selbst in unseren Breitengraden im mittleren Ruhgebiet relativ häufig sind. Allerdings hatte ich bis zu dem Zeitpunkt auch noch kein 2020er-Exemplar gesehen, was insofern verwundert, da das Tagpfauenauge im letzten Jahr zusammen mit dem Zitronenfalter zu den Faltern gehörte, die ich schon im Februar beobachten konnte. Der relativ frühe Beobachtungzeitraum des Tagpfauenauges ergibt sich aus der Tatsache, dass er zu der Gruppe von Faltern in Deutschland zählt, die als Imago also als ausgewachsener Falter überwintern.

Optik – eine funktional-geniale Farbauswahl

Beim Tagpfauenauge unterscheiden sich Flügelober- und Flügelunterseite erheblich voneinander. Während die Flügelunterseite dunkelbraun bis schwarz ist und an ein welkes Blatt aus dem Vorjahr erinnert, ist die Flügeloberseite mit einer rötlich-braunen Grundfarbe und den zwei fabenprächtigen Augenpaaren wesentlich fotogener.

Funktionell betrachtet dient die unauffällige Flügelunterseite der Tarnung und die Oberseite mit den vier Schreckaugen sollen Fressfeinde warnen (Mimikry). Doch einen freien Blick auf die auseinandergeklappte Flügeloberseite wollte mir der Falter nicht gewähren. Stattdessen verharrte der Falter mit zusammengeklappten Flügeln auf der frischen Brennnessel.

Der Falter kurz nachdem er sich auf die frischen Triebe einer Brennnesel abgesetzt hat. (Bild: 16.04.2020; am Kleingartenverein Kraut und Rüben)

Aber was macht ein Falter auf einer blütenlosen Brennnessel?

Nachdem ich eine Weile vergebens auf den Flügelaufschlag gewartet hatte, bemerkte ich dass der Falter samt Pflanze in regelmäßigen Abständen trotz windstille immer etwas zuckte. Bei näherer Betrachtung konnte ich erkennen, wie sich der Unterleib des Falters wiederholend in Richtung des Pflanzenblattes anhob. Spätestens in dem Moment dämmerte mir, welchen Vorgang ich da gerade beobachte.

Bei dem Falter handelt es sich um ein Weibchen des Tagpfauenauges, das seine Eier an das frische Brennnesselblatt anheftet. In dem Moment fiel mir dann auch wieder ein, dass sich die Raupen von Kleinem Fuchs, Admiral, Landkärtchen und Tagpfauenauge fast ausschließlich von Brennnesseln ernähren, weshalb diese Arten auch als Brennnesselfalter zusammengefasst werden. Denn im Gegensatz zu den ausgewachsenen Faltern sind die Raupen des Tagpfauenauges relativ spezialisiert auf die Große Brennnessel als Kinderstube und Futterpflanze.

(Bild: 16.04.2020; am Kleingartenverein Kraut und Rüben)

Nach der erfolgreichen Paarung legen die Weibchen bis zu 200 Eier „auf die Unterseite der Blätter von sonnig stehenden, luftfeuchten und windgeschützten Futterpflanzen.“ Diese Beschreibung, die auf Wikipedia zu finden ist, beschreibt den Fund- und Beobachtungsort perfekt, denn die betrachtete Brennnessel-Pflanze steht an einem Hang, ist damit vor Wind geschützt, sie steht ferner an einem sonnigen Platz und gleichzeitig in der Nähe eines Bachs, was für die benötigte Luftfeuchtigkeit sorgt. An diesem Standort sind also die Bedingungen an einen idealen Platz gegeben. Neben diesen äußeren Bedingungen muss natürlich auch die Art der Futterpflanze stimmen, da sich die Raupen des Tagpfauenauges fast ausschließlich von der Großen Brennnessel (Urtica dioica) ernähren, war natürlich auch dieses Kriterium erfüllt.

Da ich unbedingt ein Foto vom Gelege haben will, gleichzeitig den Falter aber auch nicht stören wollte, blieb mir nichts anderes übrig, als es mir bequem zu machen. Es dauerte fast 45 Minuten bis die Eiablage abgeschlossen war und der Falter  wieder davonflog.


Amphibische Ablenkung

Während ich halb im Brennnesselfeld sitze und darauf warte, ein Blick auf die abgelegten Eier werfen zu können, fliegen an mir mehrere Aurorafalter und Kohlweißlinge, Hummeln, Bienen und Fliegen vorbei, um nur einige der Insekten aufzuzählen. Doch an dem Ort waren nicht nur Insekten unterwegs. Als ich da wartend am Hang saß und mich sonnte, raschelt es neben mir im Gras und ich bemerke einen Grasfrosch. Da ich auf einem Platz sitzen blieb und mich ihm nicht weiter genähert habe, was bei einer Distanz von einem Meter auch nicht nötig war, um ein Foto zu machen, verharrte er regungslos in seiner Grasdeckung sitzend in der Hoffnung, dass ich ihn übersehen würde.

(Bild: 16.04.2020; am Kleingartenverein Kraut und Rüben)

Gefühlt 500 Brennnesselstiche später, war es dann so weit

Wie das Bild zeigt, besteht das Faltergelege schätzungsweise aus 100 bis 150 hellgrünen Eiern. Die Eier haben eine ovale Form, sind maximal einen Millimeter groß und sind mit feinen Längsrippen versehen. Sie erinnern mich ein Bisschen an Stachelbeeren oder an die lecker-ungesunden Apfelbonbons, die es in meiner Kindheit beim Tante-Emma-Laden gegeben hatte. In Abhängigkeit von den Witterungsbedingungen und der Umgebungstemperatur werden die rund drei Millimeter langen Raupen nach 7 bis 15 Tagen schlüpfen.

(Bild: 16.04.2020; am Kleingartenverein Kraut und Rüben)

Wie geht die Geschichte weiter?

Wie sich die Eier in den nächsten Wochen weiterentwickeln, werde ich natürlich im Blick behalten. Ich hatte kurzzeitig darüber nachgedacht, die Brennnessel samt Wurzel auszugraben und das Gelege in meine Obhut zu nehmen und mir die komplette Metamorphose vom Ei über die Raupe zum Schmetterling in einem live-Experiment anzugucken, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Verantwortung wirklich auf mich nehmen will.

Da die Entwicklungszeit der Eier des Tagpfauenauges 7-15 Tage beträgt, hätte ich noch eine paar Tage für eine Entscheidung Zeit. Sollte ich mich aber tatsächlich dafür entschließen, dann bedürfte mein weiteres Vorgehen zuvor einer intensiven Einarbeitung ins Thema. Eine coole Seite habe ich dafür sogar schon gefunden! (http://www.schmetterling-raupe.de/zucht.htm). Naja, es bleibt so oder so spannend. Wie ich mich entscheide, steht in den Sternen, aber ihr werdet es mit Sicherheit erfahren.


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